Wählen ist ein Wert an sich

Hamburgs Europaabgeordnete werben gemeinsam für den Urnengang  ■ Von Judith Weber

Geschämt hat sich der Politiker für seine träge Stadt. Vor fünf Jahren, als nur 51,7 Prozent der HamburgerInnen ihre Stimme zur Europawahl abgaben – „das war mir schon etwas unangenehm“, sagt Georg Jarzembowski. Den Kopf dreht er kurz zur Seite, als wolle er einen Blick erhaschen auf das Tuch mit dem Hamburg-Wappen, das hinter ihm das Fenster des Rathauses verdeckt. Dann wieder zurück zu zwei Bögen vor ihm, auf denen der CDU-Mann „versucht hat, Gründe aufzulisten, warum Europa für uns wichtig ist“. Das müssen sie begreifen, die HamburgerInnen, damit sie Jarzembowski und seine SPD-Kollegin Christa Randzio-Plath am 13. Juni wieder ins Europäische Parlament wählen.

Der Wahlkampf hat begonnen, und die KandidatInnen sind nicht ausschließlich auf der Jagd nach Stimmen. Sie ringen um Aufmerksamkeit. Sie suchen Menschen, die einsehen, daß das, was sie in Straßburg tun, wichtig ist. Denn Europa hat immer noch ein Imageproblem, weiß Randzio-Plath: „Bei der Bürgerschaftswahl brauche ich nicht zu erklären, warum Hamburg bedeutend ist. Mit der Europawahl ist das anders.“

Tatsächlich lädt schon das komplizierte Wahlsystem zur Ignoranz ein. „Sie haben eine Stimme“, steht schlicht auf den Wahlunterlagen – was nur als verzweifelter Versuch der Beschwichtigung gewertet werden kann. Denn die Auszählung ist verwirrend: Deutschland darf 99 Abgeordnete entsenden. Bei der CDU wird zunächst zusammengezählt, wieviele Stimmen die Partei bundesweit bekommen hat. Daraus ergibt sich eine bestimmte Zahl von Sitzen. Die werden dann nach einem besonderen Verfahren auf die Listen der einzelnen Bundesländer verteilt. SPD und Grüne gehen anders vor. Sie stellen in allen Ländern die gleiche, bundesweite Liste zur Wahl. Je weiter oben die Abgeordneten darauf stehen, desto größer ihre Chance, ins europäische Parlament einzuziehen.

Faktisch haben nur zwei Hamburger KandidatInnen diese Chance. Das waren 1994 Jarzembowski und Randzio-Plath als VertreterInnen der größten Parteien; 1999 werden es Randzio-Plath und Jarzembowski sein. Sie setzt sich für das europäische Berufsbild der „Weiterbildungsexpertin“ ein; er lobt die Tatsache, daß Hamburg für Studien zur Hafenquerspange Zuschüsse aus Straßburg bekommen kann. Sie will „Austauschprogramme an Hamburgs Schulen fördern“; er möchte „hingehen, wo die Bürger sind“, denn die „wissen oft viel zu wenig über Europa“.

Zusammen wollen die KonkurrentInnen zum Urnengang motivieren. Denn wenn es um Wahlbeteiligung geht, sind Parteibücher Papierkram. „Uns trennt einiges, aber wir haben auch vieles gemeinsam“, sagt Jarzembowski. „Und Hamburg hat nur Vorteile davon, wenn beide Abgeordnete wichtige Fragen gemeinsam klären.“

Broschüren zur Europawahl gibt es bei der Landeszentrale für Politische Bildung, Große Bleichen 23, 4283143