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Mehr reguläre Jobs durch 630-Mark-Gesetz

■  Im Gegensatz zur Befürchtung der Firmenlobby wandeln Betriebe ihre früheren Billigjobs in Teilzeitstellen um. Kein Jobverlust. Im Senat bahnt sich ein Streit um geplante Bundesratsinitiative zwischen SPD und CDU an

Hunderttausende Stellen könnten durch die Neuregelung der 630-Mark-Jobs verlorengehen, heißt es im Unternehmerlager. Doch diese Befürchtungen entbehren zumindest teilweise der Grundlage. Das zeigt etwa das Beispiel der Firma von Werner Gegenbauer, dem Präsidenten der Industrie- und Handelskammer.

Das Dienstleistungs- und Gebäudereinigungsunternehmen beschäftigte bis vor kurzem in der Region Berlin rund 250 sozialversicherungsfreie Beschäftigte mit Niedriglohn. Etwa 90 dieser Arbeitskräfte haben inzwischen gekündigt, weil sich die Tätigkeit für sie aufgrund der neuen Steuerpflicht nicht mehr lohnt. Doch Gegenbauer hat die Arbeit nicht eingespart. Sie wurde in neue, sozialversicherungspflichtige Stellen umorganisiert. Jobs gingen dadurch nicht verloren – allerdings üben jetzt andere Beschäftigte die Tätigkeiten aus.

Statt der 90 Leute, die etwa zehn Stunden pro Kopf und Woche arbeiteten, hat Gegenbauer nun 30 neue MitarbeiterInnen eingestellt, die Teilzeitverträge (bis zu 30 Wochenstunden) bekommen haben. Die Arbeitszeit der früheren Billigjobber einzusparen sei meist gar nicht möglich, meint Werner Gegenbauer. Denn vertraglich stehe seine Firma ja gegenüber den KundInnen in der Pflicht.

In diesem Falle erreicht das vielfach angefeindete Gesetz der rot-grünen Bundesregierung sein Ziel, die sozialversicherungsfreien in abgesicherte Stellen umzuwandeln, ohne die Zahl der Arbeitsmöglichkeiten zu reduzieren.

Vor voreiligen Schlüssen warnt demzufolge der Geschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (VUB), Friedrich Kästner. Daß bis zu 20.000 Billigjobs in der Region wegbrechen, wie CDU-Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner unlängst schwarzmalte, „können wir nicht mit Zahlen unterlegen“, sagt Kästner. Die tatsächlichen Auswirkungen ließen sich nicht abschätzen, denn die Unternehmen müßten erst mit der Situation zurechtkommen. Ähnlich wie bei Gegenbauer sieht es in anderen Firmen aus. Die Bekleidungskette H & M wandelt Billigjobs in reguläre Stellen um. Auch der Metro-Handelskonzern, der östlich von Berlin ein Verteillager betreibt, denkt in diese Richtung. Wolfgang Schmidt, Betriebsrat bei Rewe in Berlin, berichtet, daß die Firma keine Kündigungen von Billigjobbern zu verzeichnen habe, neuen Beschäftigten nun aber Verträge inklusive Sozialversicherung gebe.

Vor diesem Hintergrund entwickelt sich ein Streit zwischen der CDU und der SPD im Senat. Während Bürgermeister Eberhard Diepgen anpeilt, zusammen mit Bayern die 630-Mark-Regelung im Bundesrat wieder aufheben zu lassen, stellte sich Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) gestern hinter die Bundesregierung. Berlin solle sich im Bundesrat der Stimme enthalten.

Die CDU befürchtet im Einklang mit VUB-Geschäftsführer Kästner, daß vor allem kleine und mittlere Unternehmen – Gaststätten etwa – durch die Neuregelung ins Hintertreffen gerieten, denn die könnten sich die neuen Sozialabgaben nicht leisten. Außerdem gebe es beim Mittelstand weniger Möglichkeiten, die Arbeit durch Zusammenlegung von mehreren Stellen umzuorganisieren. Hannes Koch

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