Betr.: Brigitte Grothum

Sie sagte spontan zu. Erst nachdem sie den Hörer wieder aufgelegt hatte, begriff so richtig, welches Amt sie vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) gerade übertragen bekommen hatte. „Da war ich plötzlich ganz aufgeregt“, erzählt Brigitte Grothum und ihre blaugrauen Augen leuchten, so, als wäre der Hörer gerade erst wieder in die Gabel gefallen. „Plötzlich war ich als ganz normaler Mensch zur Wahlfrau fürs Bundespräsidentenamt nominiert worden.“

Ganz so „normal“ ist die 64jährige dann doch nicht: Die Schauspielerin, die mit der Serie „Drei Damen vom Grill“ in ganz Deutschland zur beliebten Magda von der Imbißbude wurde, ist sozusagen eine Institution in der Berliner Kulturszene. Gleichwohl, einer Partei fühlt sie sich nicht verpflichtet, auch wenn sie nun von der CDU ausgewählt worden ist. „Aber bei Frau Schipanski habe ich sofort aus tiefstem Herzen ja gesagt“, betont die agile Frau, die immer noch den federnden Gang einer jungen Frau hat. Und schließlich sei auch die Schipanski parteilos, genauso wie sie selbst.

Brigitte Grothum stammt wie auch die Kandidatin der Konservativen für das Amt des Bundespräsidenten aus dem Osten. Als Schülerin mußte sie vor den Bomben der Alliierten von Dessau ins thüringische Sonnenberg fliehen. Als junges Mädchen vor der Stasi, die ihren Vater immer wieder vorlud, floh sie nach Berlin, in den Westteil der Stadt. „Ich gehöre zu der Generation, die die Teilung Deutschlands am eigenen Leib gespürt haben“, sagt sie und erzählt, wie in der Nacht des Mauerbaus zufällig ihr Cousin aus Ost-Berlin zu Besuch bei ihr in Charlottenburg war und dort, weil es spät geworden war, auch übernachtete. „Am nächsten Morgen konnte er nicht mehr zurück. Zuerst haben wir das gar nicht verstanden. Aber dann haben wir gefleht, er soll bleiben.“ Der Cousin ging wegen seiner Freundin zurück. Erst 40 Jahre später konnten sie sich wieder treffen.

Die Frau, die heute zusammen mit ihrem Mann und einer erwachsenen Tochter, der Sohn ist bereits ausgezogen, in einer großen Villa am Nikolassee wohnt, hofft, daß durch eine Bundespräsidentin aus dem Osten die Deutschen wieder etwas an die Euphorie aus dem ersten Jahr nach dem Mauerfall anknüpfen können. Die Wiedervereinigung sei nur juristisch vollzogen, aber nicht in den Köpfen, nicht emotional. Und sie berichtet, wie sie mit ihrem freien Ensemble, mit dem sie jedes Jahr den „Jedermann“ aufführt, nach der Wende Tourneen durch den Osten unternahm. „Ab 1993 habe ich keine Sponsoren mehr dafür gefunden. Die Euphorie war wie weggeblasen“, bedauert sie. Für sie wäre die Wahl von Dagmar Schipanski ein Zeichen. „Bei allen Posten sind bislang immer nur die Wessis vorne.“ Eine Frau, die beide Systeme erlebt hat, könnte viele Probleme lösen, hofft sie, zumal ihr die Art, wie Schipanski mit Menschen umgeht, gut gefällt: „Die hört zu.“

Die Schaupielerin, die selbst mit ihren Erfolgen auf der Bühne sowie in zahlreichen Fernsehproduktionen sicherlich nie im Schatten ihres Mannes, einem Orthopäden, gestanden hat, findet es wichtig, daß die First Lady nicht eine Gattin ist. Die First Lady soll selbst die Nummer eins sein. Annette Rollmann