Was, wann, wie und wow!

■ „Die Stunde des Löwen“ – ein Thriller im sexy Fiktivfernsehmilieu (20.15 Uhr, Pro 7)

„Sie alle kennen die fünf großen W des Journalismus: Was, wann, wie, wo, warum. Sie beschreiben nicht nur erschöpfend die Techniken der Informationsvermittlung, sondern sie sind auch eine Mahnung an jeden guten Journalisten: Berichte vollständig, gewissenhaft, wahrheitsgemäß!“ So sagt's Prof. Winterfeld, ein graumelierter Moralist der alten (Journalisten-) Schule, im Pro-7-Thriller der 20. Programmwoche. Also gut: Was? Ein gewisser Harald Löwe moderiert eine gewissenlose Talkshow beim fiktiven TV-Sender PPS. Wann? Zur Prime time natürlich. Wie? Indem er (un-)bescholtene Bürger diffamiert. Wo? Irgendwo in naher Zukunft. Und warum?

Weil schon bald Löwes Frau entführt und die Suche nach dem Kidnapper via Bildschirm ausgetragen wird. Weil Hansjörg Thun (Buch) und Niki Stein (Regie) ihren ansonsten relativ konventionellen Schnitzeljagdkrimi mit einer Prise „Late Show“ (Erinnert sich noch jemand?) durchaus interessant zu machen wissen. Und damit Pro 7 mal wieder 90 Minuten lang gut aussieht.

Eigentlich immer, wenn sich das Fiktivfernsehen seine Geschichten in den eigenen vier Wänden sucht, malt es den Teufel an die Wand: Skrupellos, manipulativ, intrigant, vereinfacht ist dieses Fernsehfernsehen – und schön.

Auch in „Die Stunde des Löwen“ haben die Mitarbeiter natürlich keine hektischen Flecken im Gesicht, Brei im Kopf und Geschwüre im Magen, sondern eine grundsolide journalistische Ausbildung, lange Beine und, so Löwes Redaktionsleiter, nachdem er seine hübsche Kollegin Bibi die langen Beine für ihren Talkmaster hat breitmachen sehen, ein „feuchtes Höschen“. Wow! So haben wir uns die Arbeit beim Fernsehen vorgestellt, ja? Oder hätte es ein Sender wie Pro 7 nur gern, daß unsereins sich die TV-Arbeiter so vorstellt? Weil ein sexy Fernsehen das Fernsehgucken noch attraktiver macht, wann immer es unsere Gehirne vollstopft mit Sensationsbildern, mit Lügen und Dreck und verlogenen Kommentaren oder so.

Später dann, beim Talkshowdown im Fernsehstudio, fragt der inzwischen durchgeknallte Presseprofessor Winterfeld: „Bin ich noch auf Sendung?“ Und er ist. „Ich wollte“, sagt er deshalb, „daß Sendungen wie diese für immer verhindert werden. Ich wollte, daß man Sie, die Zuschauer, wieder ernst nimmt, Sie wirklich informiert, statt ihre Gehirne vollzustopfen mit Sensationsbildern, mit Lügen und Dreck und verlogenen Kommentaren.“ Dann sprengt er das Studio in die Luft – nein, vielmehr sich selbst, die Moral und das Fernsehen. Wow!

„Was is' denn das für 'ne sentimentale Scheiße?“ fragt der Talkmeister. Und wann? Rund 30 Minuten vor dem großen Knall. Wie? Genervt. Wo? Auf Pro 7. Und warum? Weil es ihm die Talkshowjournalistin zuvor gewissenhaft und wahrheitsgemäß ins Gesicht gesagt hat: „Wir sind zu weit gegangen.“ Christoph Schultheis