Der verfluchte Frühling

Auf einmal ist es da, das Jucken und Niesen. Die Auslöser von Heuschnupfen sind so zahlreich wie die Behandlungsmethoden  ■ Von Christiane Tursi

Die Augen tränen, im Hals kratzt es und Niesanfälle erschüttern den ganzen Körper. „Heuschnupfen“ heißt diese Krankheit umgangssprachlich. Mit trockenem Gras hat sie jedoch wenig zu tun: Die Leidenden reagieren allergisch auf unterschiedlichste Pollen und verfluchen den Frühling oft schon ab Februar. Dann nämlich legen die Frühblüher Birke, Erle und Hasel los, gefolgt vom Roggen und den Gräsern, die jetzt, im Mai, und im Juni ihre Pollen verbreiten. Den Spätsommer verleiden Kräuter wie Beyfuß und Wegerich oder Schimmelpilze – und damit hat Hans-Joachim v. Rohr, Allergologe und Dermatologe in Hamburg, nur die wichtigsten Übeltäter aufgezählt.

Je nach Sensibilität quälen sich AllergikerInnen nur zwei Wochen im Jahr mit ein bißchen Schnupfen herum oder sind für Monate durch Asthma arbeitsunfähig. Schuld ist eine biochemische Reaktion in ihrem Körper: aus der unseligen Verbindung zwischen Antikörper und Allergen, dem Eiweiß der Polle, entsteht das Histamin, der Stoff, der Schwellungen und Reizungen der Schleimhäute auslöst. Durch chemische Verwandtschaften, wie zwischen den Eiweißen der Birkenpollen und Stein- und Kernobst, kann es außerdem zu sogenannten Kreuzreaktionen kommen. „Der Verzehr eines Apfels mitten im Winter kann dann ähnliche Folgen haben wie das Einatmen von Birkenpollen im Frühling“, erläutert Rohr.

Zudem kommt eine Allergie selten allein. „Herauszufinden, welcher Stoff welche Reaktion auslöst, ist wie einen Krimi lesen, um dahinterzukommen, wer der Mörder ist“, beschreibt die Heilpraktikerin und Allergieberaterin Petra Walkstein. Zwar liefern Blutuntersuchungen und der schulmedizinische „Pricktest“, bei dem Tröpfchen allergener Flüssigkeiten unter die Haut gepiekst werden, Gewißheit. „Warum aber jemand allergisch wird, das kann bisher kein Mensch sagen“, meint Rohr. In einzelnen Fällen können genetische Veranlagungen der Grund sein, „aber immer spielen auch psychische Belastungen eine Rolle“.

Besonders in der westlichen Welt nimmt die Zahl der Betroffenen rasant zu. Nicht nur immer mehr Kinder plagen sich mit Allergien, auch über-Vierzigjährige verstehen die Welt nicht mehr, wenn sie plötzlich Heuschnupfen kriegen. Petra Walkstein vermutet als Ursache „stoffliche und psychische Reizüberflutung“. Gibt es da überhaupt ein Entkommen? Die Behandlungsmöglichkeiten sind zwar zahlreich – angefangen bei der traditionellen „Hyposensibilisierung“, bei der drei Jahre lang kleine Dosen einer Pollenflüssigkeit gespritzt werden, über Akkupunktur nach chinesischem Heilverfahren oder Naturheilkunde. Sie können den Schlimmstbetroffenen aber nur langwierige Prozeduren mit ungewissem Erfolg bieten. Daß Allergien ab und an genauso unberechenbar wieder verschwinden, wie sie aufgetreten sind, tröstet da wenig.

Bleibt nur noch die Flucht an die See – oder nicht einmal die. Die entscheidenden Übelerreger sindganz leichte Blütenpollen, die bei ungünstigen Winden garantiert bis nach Helgoland wehen.