Vorprogrammierter Erfolg auf Treidelpfaden

Die zweite VeloTour '99: Unterwegs auf 110 Kilometer Elbe-Radwanderweg zwischen Torgau und Dresden. Die Strecke folgt historischen Wegen und bietet neben hohem Fahrkomfort auch landschaftlich schöne Ausblicke sowie viel Kultur  ■   Von Benno Koch

Wer in Berlin-Brandenburg aufs Rad steigen möchte, darf noch häufig zwischen Sand, Kopfsteinpflaster oder rasenden Autofahrern wählen. Ausnahmen bilden bisher lediglich der Landkreis Spree-Neiße, der Oderdeich und seit neuestem die Region rund um Storkow mit asphaltierten und autofreien Radrouten.

Anders in Sachsen: Der fast vollständig ausgebaute Elbe-Radwanderweg im 170 Kilometer langen sächsischen Abschnitt der Elbe kann mit dem klassischen Vorbild an der Donau inzwischen konkurrieren. Da die Elbe ursprünglicher und naturnaher durchs Land fließt, anstatt zwischen Betonwänden und Staustufen eingezwängt zu sein, zudem Burgen, Schlösser und Weinberge sowie liebliche Städtchen und Dörfer die Ufer säumen, dürfte der Erfolg vorprogrammiert sein. Schon jetzt radeln auf den 2,50 Meter breiten, meist asphaltierten und den historischen Treidelpfaden nachgebauten Wegen an manchen Wochenenden wahre Massen von Menschen.

Gut zwei Bahnstunden von Berlin entfernt beginnt in Torgau unser Radtourentip nach Dresden. Zwar ist die gut 110 Kilometer lange Strecke als Tagestour durchaus geeignet. Wer aber ein ganzes Wochenende Zeit hat, sollte die Natur, die Kultur und die spürbar größere Gastfreundschaft der Sachsen vielleicht in einem kleinen Landhotel etwas länger genießen. Oder sich ins berühmte Dresdener Nachtleben stürzen, wo sich zu seligen Ostzeiten das Tal der Ahnungslosen befand und fehlendes Westfernsehen durch eigene Aktivitäten kompensiert wurde.

Schon völlig autofrei geht's dann vom Bahnhof ins ruhige mittelalterliche Zentrum von Torgau. Vom Turm des Residenzschlosses Hartenfels, der bedeutendsten Anlage der deutschen Frührenaissance, hat man einen weiten Ausblick über die Stadt und den Lauf der Elbe. Scheinbar einziger Schönheitsfehler: Die markante Stahlbrücke (und damit die weltbekannte historische Stadtansicht), auf der sich amerikanische und sowjetische Soldaten im April 1945 nach der gemeinsamen Befreiung Deutschlands trafen, wurde Mitte der 90er Jahre abgerissen.

Linkselbisch, zunächst etwas abseits des Westufers, führt der ausgeschilderte Radweg direkt vom Schloß stromaufwärts durch Dörfer mit so klangvollen Namen wie Loßwig, Weßnig, Kranichau, Döbeltitz nach Belgern. Der häufig aus Nordwest wehende Wind schiebt ein wenig durch die leuchtend gelb blühenden Rapsfelder, die sich jetzt bis zum Horizont erstrecken. Ein Abstecher zum restaurierten Marktplatz der Kleinstadt Belgern ist schon wegen der sechs Meter hohen Rolandfigur aus dem Jahre 1610 am Rathaus und den im Vergleich dazu winzigen Fahrrädern davor lustig.

Dann geht's wieder hinunter zum Elbradweg, durch die Gutshöfe Ammelgoßwitz, Dröschkau und Plotha, um in Seydewitz das vorläufige Ausbauende des Elbradwegs zu erreichen. Auf der B 182 radelt man recht verkehrsarm weiter über Aussig und Schirmenitz nach Paussnitz und verläßt dort die Bundesstraße. Ein Feldweg führt nach Trebnitz, wo der wieder ausgebaute Radweg nun nach Strehla und dort mittels Fähre ans andere Elbufer führt. Zuvor sollte man den Abstecher quer über die Streuobstwiesen hinauf zum dreiflügeligen Schloß Strehla nicht verpassen. Mit seinen frisch restaurierten, deutlich verschiedenen und bis ins 15. Jahrhundert zurückreichenden Baustilen sowie den ältesten Robinien Sachsens im Hof ist das Schloß eine Augenweide.

Rechtselbisch radelt man dann malerisch auf schmalen Wegen zwischen alten Bäumen hindurch und an Gohlis vorbei, bevor die weiße Industrie-Skyline von Riesa erreicht wird. Fast am Ortsausgang des sich zur Sportstadt entwickelnden Riesa fährt bei Promnitz eine kleine Zehn-Personen-Fähre hinüber ans andere Elbufer. Der Weg zwischen den dichten Kronen mächtiger Bäume hindurch ist zwar hier nicht ausgebaut, aber landschaftlich einfach die schönere Wahl. Teilweise nur entlang von Spuren in der Grasnarbe geht es vorbei an Göhlis und durch Leutewitz hindurch wieder zur Landstraße, die über Schänitz und Boritz nach Hirschstein führt.

Am Schloß Neuhirschstein geht es hier wieder hinab zur Elbe, wo bei Niederlommatzsch die nächste Fähre hinüber ins Weindorf Diesbar-Seußlitz mit seiner prächtigen Schloßanlage im Barockstil führt. Nun ist der Weg zur Albrechtsburg, dem ersten Schloß im deutschsprachigen Raum, und der berühmten Königlichen Porzellanmanufaktur in Meißen nicht mehr weit. Eine Rundfahrt durch die holprigen, mittelalterlichen Gassen am Fuße der Burg ist trotz der Touristenströme in der Stadt ein echtes Erlebnis. Ingenieurtechnisch interessant ist auch die komplizierte Führung des Radwegs durch Meißen direkt in der Überschwemmungszone. Bevor sich nun in Richtung Coswig das Elbetal weitet, kann man vom Aussichtspunkt Boselspitze, am Südende des kleinen Spaargebirges, noch einmal den herrlichen Ausblick über die Elbe genießen. Über Radebeul gelangt man zurück in den Trubel der Großstadt nach Dresden, von wo es per Bahn und voll mit Eindrücken zurück nach Berlin geht.

Hinfahrt: ab Fahrplanwechsel 30. Mai 1999 z.B. mit RE 4 ab Berlin-Ostbahnhof um 7.51 Uhr, umsteigen in RB in Jüterbog und Falkenberg (Elster), Fahrzeit: 2,13 Stunden.

Rückfahrt: z.B. mit RE 5 ab Dresden Hbf. um 19:22 Uhr, umsteigen in Elsterwerda in RB, Fahrzeit: 3,10 Stunden.

Tarif: Schönes-Wochenende-Ticket für fünf Personen 35 DM, Fahrrad ganztägig zzgl. sechs DM pro Fahrrad.