Schweben und Gondeln mit 10 km/h

Auf den uckermärkischen Seen gibt es seit diesem Jahr eine Alternative zu Kajaks und Tretbooten: Hydro-Bikes, auf luftgefüllte Schwimmer montierte Fahrräder, sind verhältnismäßig schnell und fast unsinkbar   ■  Von Ole Schulz

Es ist schon ein ungewohntes Gefühl: Man thront über der Wasseroberfläche, muß sich aber auch ein bißchen ins Zeug legen, um mit einem Hydro-Bike zügig vorwärtszukommen. Doch weil das Wasser eh bremst, bringt Überanstrengen gar nichts. Ganz gleichmäßig in die Pedale treten, lautet daher die erste Empfehlung an alle, die nicht sofort ins Schwitzen kommen wollen. Also zurück zur Langsamkeit: Hat man das rechte Maß von Kraftaufwand und innerer Entspannung gefunden, läßt es sich ziemlich gemütlich übers Wasser gondeln, während man ruhig im Sattel sitzt und die tolle Sicht genießt.

„Zwanzig Kilometer am Tag lassen sich locker schaffen“, sagt Marcus Thum. Der 24jährige Jungspund ist ausgebildeter Natur- und Landschaftsführer im Naturpark Uckermark und vermietet seit einem Jahr Kajaks und Kanadier an Touristen. Jetzt hat er sich 20 Hydro-Bikes aus den USA angeschafft, um Großstädtern die herrliche Seenlandschaft rund um Lychen, Feldberg und Templin auf eine neuartige Weise zugänglich zu machen. Mit im Durchschnitt immerhin zehn Stundenkilometern ist jeder Ungeübte mit einem Hydro-Bike schneller als in einem Kanadier.

Hydro-Bikes sehen aus wie Zweiräder, die auf Kufen durch das Wasser kurven. Genaugenommen sind es Fahrräder, die auf zwei mit Luft gefüllten Schwimmern montiert sind. Per Pedaltritt wird hinten eine kleine Bootsschraube in Bewegung gesetzt, vorne gibt man mit einem an der Lenkerstange angebrachten Ruder die Richtung vor. Die Wasserräder ähneln Katamaranen nicht nur äußerlich, sie haben auch die gleiche stabile Lage: Durch den hohen Auftrieb der beiden Schwimmkörper ist es fast unmöglich, daß das Gefährt kippt oder sinkt.

Zu finden ist Marcus Thums Treibholz-Team rund um die ukkermärkischen Seen. Daß die Gegend zu den aufregendsten Landstrichen Deutschlands gehört, steht für Thum fest. „Eine geballte Ladung Natur –von allem etwas.“ Das Gebiet ist erst fünfzehntausend Jahre jung, ein Kind der Weichseleiszeit und damit gerade mal dem erdgeschichtlichen Säuglingsalter entwachsen: Sanfte Endmoränenkuppen wechseln sich ab mit Hügelgräbern und Findlingen, Bruchwäldern und Sümpfen.

Dazwischen liegen schmale, ebenso schroff wie tief abfallende Rinnenseen und die breiteren Havelgewässer. Mit etwas Glück kann man morgens den Kranichen lauschen, und wer möchte, pendelt danach mit einer handbetriebenen Draisine zwischen Fürstenberg und Lychen hin und her.

Als er früher in den Schulferien seine Großeltern besuchen kam, habe er sich in die mit Gewässern gesegnete Gegend verliebt, erzählt Marcus Thum. Sein Opa war Förster und hatte ein Haus mitten im Wald. „Das hat mich geprägt und versaut.“ Seit er als Kind im Wald gebolzt hat, hatte er keinen sehnlicheren Wunsch, als irgendwann hierherzuziehen.

Erst absolvierte Thum eine Zweiradmechanikerlehre in Leipzig, dann lernte er als Zivildienstleistender im Naturpark Uckermark die Schönheiten der Umgebung genauer kennen und ließ sich zum Naturführer fortbilden. Heute sagt er: „Als Außenstehender kann man die Gegend viel mehr schätzen.“

Das scheinen viele der Besucher ähnlich zu sehen: In der Saison müsse er sich inzwischen „drehen wie ein Kaputter“, um allen Wünschen gerecht zu werden, sagt Thum. Er hat sich einiges vorgenommen: So will er die durch Flüsse und Schleusen verwobenen Seen für alternative Touristen erschließen. Seit Mai vergangenen Jahres bietet er begleitete Kajak- und Kanadiertouren an. „Ich hole die Leute vom Hotel ab, zeige ihnen die Gegend auf der Karte und schlage ihnen Tagestouren vor.“ Bis zur Müritz kann man auf kleinen Wasserwegen schippern. Und seit neustem können an den vier verschiedenen Stationen des Treibholz-Teams nicht nur Boote, sondern auch die Wasserräder ausgeliehen werden.

Ganz ohne Risiko ist Thums letzte Investition allerdings nicht: Rund 3.000 Mark mußte er pro Hydro-Bike auf den Tisch legen. „Manche sagen, das sei mutig, andere kopflos; ich glaube, wir werden es schon schaffen.“ Zur Zeit gibt Thum mit seinen zwei Partnern den frisch gelieferten Hydro-Bikes den Feinschliff: Vorne werden wasserdichte Packsäcke an den Rädern befestigt, dazu kommen ein Fahrradschloß und eine Sicherungsleine, falls die – eigentlich unzerstörbare – Nirosta-Stahlkette doch einmal reißen sollte. Nur mit der Farbe der Räder ist Thum nicht ganz zufrieden. Denn das knallige Türkis und Gelb der Schwimmkörper würde dynamischen Fun-Sportlern sicher besser stehen als gemütlichen Naturgenießern.

Hydro-Bikes, Kajaks, Kanadier und begleitete Touren lassen sich über die Zentrale des Treibholz-Teams buchen: Schlüßhof 2, 17279 Lychen, Tel. (03 98 88) 4 33 77.