Sonne für den Tank

■  3,5 Megawatt Solarmodule aus eigener Schmiede will Ölmulti BP Amoco in den nächsten zwei Jahren auf seinen Tankstellen installieren. Auch die Shell AG beschäftigt ihre Tochter Shell Solar mit konzerneigenen Aufträgen

Nachdem BP Amoco Mitte April auch die restlichen 50 Prozent des amerikanischen Solarmodulherstellers Solarex übernommen hat, verfügt der neue Weltmarktführer BP Solar/ Solarex über eine Jahresproduktionskapazität, die in Kürze die 70-Megawatt-Grenze überschreiten wird. Um überfüllte Lager und stillstehende Produktionsanlagen zu vermeiden, müssen zügig neue Kundengruppen für die Solarenergie gefunden werden. Und da das größte Potential an Kundenkontakten das dichte Tankstellennetz bietet, lag ein Gedanke nahe: Die Tankstellendächer sollen mit Solaranlagen bestückt werden.

Eine Idee, die Konkurrent Shell, ebenfalls mit einer aufstrebenden Solar-Tochter im Gepäck, etwa zur gleichen Zeit aufgriff. Um Erfahrungen zu sammeln hatte BP Solar bereits im vergangenen Jahr 19 Solaranlagen auf Tankstellen in Deutschland (Berlin), Australien, Malaysien und den USA installiert. Die Reaktion der Kunden dürfte positiv ausgefallen sein: Mitte April dieses Jahres kündigte BP Solar das Projekt „Sunflower“ an. Ab sofort soll jede neue BP-Tankstelle in insgesamt neun Ländern eine Solarstromanlage mit durchschnittlich 20 kW Leistung erhalten. Mit von der Partie sind Großbritannien, Australien, Deutschland, Österreich, die Schweiz, die Niederlande, Japan, Portugal und Spanien. Vereinzelte Prototypen sollen darüber hinaus auch in Frankreich und den USA entstehen. Insgesamt ergeben sich bei 200 neuen Tankstellen in den nächsten zwei Jahren rund 3,5 Megawatt Solarmodule, die BP installieren will. 1.000 sparsame Vierpersonen-Haushalte können damit versorgt werden.

Plakate weisen die Tankstellenkunden auf die Neuerung hin. Wer sich interessiert, kann an der Kasse Infobroschüren zur Solarenergie erhalten. „In den meisten Ländern – Deutschland, die Schweiz und die Niederlande mal ausgenommen – ist die Öffentlichkeit nur sehr unzureichend über Photovoltaik informiert. Mit den Solartankstellen haben wir völlig neue Möglichkeiten, Informationen zu verbreiten“, so Projektmanager Clive Sinnot von BP Solar. Und ganz nebenbei wird der Boden für private Solarstromanlagen bereitet, denn nicht jeder Energieversorger – man denke nur an den französischen Atomstromer EdF – ist im Umgang mit netzgekoppelten Solarstromanlagen geübt. „In einigen dieser Länder werden wir für den Energieversorger die erste netzgekoppelte Solarstromanlage ans Netz bringen und so Probleme lösen für alle, die nach uns kommen.“

Rund 50 Millionen Dollar wird BP Amoco sich die eigenen Solaranlagen kosten lassen. „Wir sind damit nicht nur einer der weltweit größten Hersteller von Solarmodulen, sondern auch einer der größten Nutzer“, so BP-Amoco-Chef Sir John Brown.

Während man bei BP noch Pressemitteilungen für das „Sunflower-Projekt“ entwarf, hatte Shell auf seinen Tankstellendächern bereits medienwirksam Tatsachen geschaffen. Die Deutsche Shell AG und Shell Nederland B.V. haben zum Auftakt am 4. März vier Solartankstellen eingeweiht, zwei davon in Hamburg und je eine in den niederländischen Städtchen Merkeer und Wezpez. Im Unterschied zur BP Aktion ist jede Shell-Solartankstelle ein Unikat. Getestet werden zunächst 10 verschiedene Systeme, bevor man sich für eine Lösung entscheiden will. Die Solarmodule auf dem Tankstellendach in der Steilshopper Allee werden beispielsweise dem Sonnenstand nachgeführt. Bei Shell erhofft man sich dadurch eine um 30 Prozent höhere Energieausbeute, die aber teilweise durch die zur Nachführung benötigte Energie wieder kompensiert wird. Zusätzliche Spielerei: Mit etwas Phantasie erkennt der Autofahrer aus der Anordnung der Module die Shell-Muschel, allerdings in blau statt gelb-rot. Die zweite, in Hamburg am Winterhuder Weg installierte Anlage, hat braun-goldene Solarzellen.

Dieses System ist sicher nicht die gesuchte Massenlösung, denn goldenfarbene Solarzellen sind teuer und bringen wenig Ertrag. Und der wiederum ist nicht ganz unwichtig, da Shell den Solarstrom auch zum Tanken anbietet. In Zusammenarbeit mit der Hamburgischen Electricitäts-Werke AG (HEW) hat die Deutsche Shell Ladestationen für Elektromobile eingerichtet, an denen die Autofahrer Solarstrom für 42,3 Pfennig je Kilowattstunde zapfen können. Zusammen mit der HEW wird Shell unter dem Namen „newpower“ ab Juni den Solarstrom im Mix mit anderen regenerativen Energien auch den Hamburger Stromkunden anbieten. Die beiden Tankstellen in Hamburg liefern zusammen rund 6.700 Kilowattstunden im Jahr, genug um zwei Vier-Personenhaushalte zu versorgen oder mit dem Elektroauto 70.000 Kilometer zu fahren.

Im Vergleich zu der von BP gestarteten Kampagne handelt es sich bei Shell eher um ein Demonstrationsprojekt als um den Versuch, einen neuen Markt zu erschließen. Und wenn BP verspricht, daß auch das „Sunflower-Projekt“ nur einen ersten Schritt darstellt, kann man davon ausgehen, daß es in zwei Jahren tatsächlich eine Fortsetzung gibt. Und wer weiß, vielleicht wird in ferner Zukunft der Solaranteil am Unternehmensumsatz die Prozentgrenze überschreitet.

Anne Kreutzmann