Der fröhliche Irre

■ Raffiniert: „Don Q“ im Altonaer Theater

Don Quijote erwacht stöhnend, wie von Alpträumen geplagt. Der ewige Versager der Weltliteratur hat, hinreißend von Michael Gerlinger auf der Foyer-Bühne des Altonaer Theaters gespielt, den Wahnsinn fest im Blick.

Wenige Requisiten, raffiniert drapiert, deuten das Schlachtfeld seiner Windmühlenkämpfe an: ein Laboratorium systematischer Vereinsamung. Ein Garderobenständer, Kerze, Decke, Morgenmantel und Pantoffeln, Flaschen sowie ein majestätischer Stuhl genügen, um aus dem Monolog eines Narren (Text und Regie: Frank Radmacher) das dynamische Spiel eines leidenschaftlichen Narzisten zu machen, in dem sich jeder, der dazu bereit ist, wiedererkennen kann.

Denn Gerlinger spielt keinen vertrottelten Ritter von trauriger Gestalt, sondern illustriert das zeitlos gültige Psychogramm eines fröhlichen Irren. Stets hat er ein imaginäres Gegenüber – mal die angebetete Dulcinea, mal die Mutter, mal den Vater – dem er sein Herz ausschüttet. Er jammert, seufzt und schwitzt über die mißratene Welt, in der er seinen Platz nicht findet, daß es eine Lust ist. Und verfällt in johlende Euphorie, wenn er meint, sich selbst erkannt zu haben: „Ich bin eine Frucht!“ ruft er dann, von Kopf bis Fuß triumphierend – eine köstliche Satire auf Hobby-Esoteriker.

Sein Gedankenstrom hat mitunter hamleteischen Tiefsinn. Daß falsches Wissen die Welt beherrscht, erkennt er, und als er mit kindhafter Einsicht in den Tod gehen will, rührt seine groteske Komik an wie sonst nur ein tragischer Held. Das mit dem Selbstmord klappt aber zum Glück nicht, denn ein echter Don Q ist auch dazu zu dumm. So kämpft er weiter mit eingebildeten Bestien und Dämonen, sinnniert übers (vertane) Leben, über sinnleere Geschlechterrollen – und über bittersüße Hoffnungen, die er nicht müde wird, sich zu machen. Wie ein kleiner König lümmelt er dann im Sessel, traumverloren und endlich mal entspannt –doch nur, um von einer Sekunde auf die nächste wieder in volle Fahrt zu kommen: Sein Getränk könnte ja vergiftet sein. Cervantes selbst hätte gelobt: „Die geistvollste Rolle in der Komödie ist die des Narren; denn man darf weder einfältig noch töricht sein, um es scheinen zu können.“ giso

noch am 26., 27., 30. Mai und am 3. Juni mit Fest im Foyer des Altonaer Theaters