Mißtrauensabstimmung über Jospins Korsika-Politik

■ Der Brandanschlag auf ein Inselrestaurant hat ein parlamentarisches Nachspiel. Heute muß sich die Regierung der Vertrauensfrage stellen. Doch zu befürchten hat sie wenig

Paris (taz) – Einen Monat nach der Brandstiftung an einem Strandrestaurant auf Korsika durch Polizisten stimmt heute das französische Parlament über einen Mißtrauensantrag der konservativen Opposition gegen die rot-rosa-grüne Regierung ab. In ungewohnter Einmütigkeit haben Neogaullisten und Liberalkonservative die schweren Fehler in der Korsika-Politik zum Anlaß genommen, um Premierminister Lionel Jospin diesen Schlag zu versetzen. Bevor sie ihren Mißtrauensantrag stellten, haben die französischen Konservativen drei Wochen seit Bekanntwerden des Skandals und seit der Inhaftierung sämtlicher Spitzenpolizisten der inzwischen aufgelösten korsischen Eliteeinheit der Gendarmerie, GPS, sowie des obersten Repräsentanten von Paris auf der Insel, Präfekt Bernard Bonnét, vergehen lassen. Währenddessen versetzten sie der Regierung täglich kleine Stiche. Nachdem diese Taktik nun ausgereizt ist, greift die Opposition zum nächstgrößeren Kaliber.

Eine Aussicht auf Erfolg hat das Mißtrauensvotum angesichts der stabilen Regierungsmehrheit nicht. Aber die anhaltend große Popularität von Premierminster Lionel Jospin und seiner MinisterInnen und die bevorstehenden Europawahlen am 13. Juni zwingen die Opposition zu demonstrativen Auftritten. Zumal die Konservativen, die bei den Europawahlen wieder einmal mit mehreren konkurrierenden Listen antreten, dringend ein klares Profil benötigen.

Die Regierung geht selbstsicher in die heutige Abstimmung. Premier Jospin hat immer wieder beteuert, daß niemand in seiner Regierung die Brandstiftung gewollt oder gar in Auftrag gegeben habe, daß seine Regierung rechtsstaatliche Verhältnisse und soziale Reformen auf Korsika wolle und daß die Justiz völlig unbehindert und schnell ermittele.

Tatsächlich haben alle im Zusammenhang mit der Brandstiftung Inhaftierten bestätigt, daß sie keinen Auftrag aus Paris bekommen hätten. Nützlich für die Regierung ist auch, daß auf den Oppositionsbänken zahlreiche PolitikerInnen sitzen, die ihrerseits in den vergangenen Jahren Mist auf Korsika gebaut haben. Unter anderem zwei Ex-Innenminister: Charles Pasqua verhandelte ungeniert mit der militärisch stärksten Nationalistenorganisation FLNC-Canal historique, die die Oberhand über die nationalistischen und autonomistischen Gruppen auf der Insel bekam. Sein Nachfolger Jean-Louis Debré gestattete eine nächtliche „Pressekonferenz“ auf der Insel, bei der 600 vermummte Nationalisten einen Unabhängigkeitstext verlasen.

Während sich die Opposition im Pariser Parlament abmüht, versuchen auf Korsika die untereinander verfeindeten NationalistInnen die neue Lage auszunutzen. Am Samstag trafen sich 14 Organisationen zu einem Strategieseminar. Bislang allerdings gelang es ihnen nicht, das in den vergangenen Jahren durch Morde in den eigenen Reihen entstandene Mißtrauen zu überwinden.

Unterdessen scheinen die Ermittlungen über ein schweres Verbrechen, das Korsika vor 15 Monaten erschütterte, jetzt langsam voranzuschreiten. Am Wochenende ließ der Pariser Anti-Terror-Richter Jean-Louis Bruguière ein Dutzend korsische Nationalisten verhaften. Heute beginnnen ihre Verhöre in Paris. Bruguière hält die Verhafteten für Komplizen des Präfektenmordes vom Februar 1998. Dorothea Hahn