Neue Jobs bleiben nur ein unverbindliches Ziel

■ Beim Kölner EU-Gipfel Anfang Juni soll der „Beschäftigungspakt“ geschlossen werden. Doch echte Verpflichtungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird es nicht geben

Brüssel (taz) – Am 4. und 5. Juni gibt die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in Köln ihre Abschiedsparty, ehe die Finnen den EU-Vorsitz übernehmen. Die deutsche Präsidentschaft braucht einen schönen Schlußerfolg – den soll rechtzeitig zu den Europawahlen am 13. Juni der Europäische Beschäftigungspakt liefern, den die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder auf dem Kölner Gipfel verabschieden wollen. Heute beraten zum letzten Mal die Arbeits- und Sozialminister in Brüssel über den Entwurf für den Beschäftigungspakt mit den Tarifparteien EGB (Europäischer Gewerkschaftsbund) und Unice (Europäische Arbeitgeberunion). Doch mehr als Empfehlungen für den Abbau der Arbeitslosigkeit wird der Gipfel kaum bringen. Dafür stehen die Regierungen den einzelnen Vorschlägen, etwa einem EU-weiten Mindestlohn, zu mißtrauisch gegenüber.

Im November 1997 hatten die Staats- und Regierungschefs auf Drängen der frischgewählten französischen Sozialisten einen Beschäftigungsgipfel in Luxemburg abgehalten. Der für Arbeit zuständige irische EU-Kommissar Padraig Flynn hatte eine vielversprechende Vorlage geliefert: 12 Millionen Arbeitsplätze wollte er in Europa schaffen, die Beschäftigungsquote innerhalb von fünf Jahren von 60,4 auf 65 Prozent erhöhen, die Arbeitslosenquote auf 7 Prozent senken.

Der damalige deutsche Finanzminister Theo Waigel wandte sich vehement gegen Vereinbarungen, die Geld kosten könnten. Am Ende einigte man sich in Luxemburg auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: „Beschäftigungspolitische Leitlinien“, also unverbindliche Absichtserklärungen zur Bekämpfung der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit. Sie sollten in einzelstaatliche Programme übernommen und einmal jährlich auf den neuesten Stand gebracht werden. Staaten, die keine Maßnahmen ergriffen, hatten keine Sanktionen zu befürchten.

Eineinhalb Jahre später ist die Arbeitslosenquote in Europa unverändert hoch, die Beschäftigungsquote liegt im Schnitt bei 61 Prozent – in den USA dagegen haben 70 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung einen Job. Wollte Europa diese Quote erreichen, müßten 30 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Nach einem Bericht der EU-Kommission von Mitte April könnte die Quote vor allem bei Frauen, Jugendlichen und älteren Männern deutlich steigen.

Doch der geplante Kölner Beschäftigungspakt wird über die unverbindlichen Luxemburger Leitlinien kaum hinausgehen. Zwar hat Europa in der Zwischenzeit noch eine sozialdemokratische Regierung hinzubekommen – nämlich die deutsche. New Labour geht aber in der Beschäftigungspolitik mit den konservativen Spaniern zusammen. In einem gemeinsamen Memorandum haben beide Länder Mitte Mai Dezentralisierung und Liberalisierung in der Wirtschaftspolitik gefordert.

Für europaweite Mindestlöhne, wie Frankreich und Luxemburg sie einführen wollen, wird es den erforderlichen Konsens nicht geben, auch nicht für den europaweiter Mindestsatz bei der Unternehmensbesteuerung, den Italien und Frankreich umsetzen wollen. Nicht einmal die EU-Richtlinie zur Energiebesteuerung, die der deutsche Finanzminister Eichel anregt, wird realisiert werden. Einwände kommen aus Irland, Großbritannien und Spanien.

Der europäische Gewerkschaftsbund befürwortet eine Art Euro-Ökosteuer: Ressourcenverbrauch soll teurer, Arbeit billiger werden. Dänemark und Finnland, so EGB-Referent Wolfgang Kowalski, hätten mit dieser Politik ihre Beschäftigungsquote bereits deutlich steigern können. Ein ständiger Dialog von Arbeitgebern, Gewerkschaften, Zentralbank und Finanzministern, wie vom Beschäftigungspakt vorgeschlagen, kann nach Ansicht des EGB dazu beitragen, beschäftigungspolitische Maßnahmen in Europa zu harmonisieren.

Mehr aber auch nicht. Zentralbankchef Wim Duisenberg, der in Zukunft regelmäßig mit am Tisch sitzen soll, hat bereits finanzpolitische „Ex-Ante-Koordinierung“, also Geldpolitik, die Arbeitsplätze schafft, abgelehnt. Auch Finanzminister Eichel will im Beschäftigungspakt keine meßbaren und nachprüfbaren Ziele oder gar Sanktionen für Mitgliedsstaaten festlegen, die ihre Beschäftigungsquote nicht steigern. 17,6 Prozent Arbeitslosigkeit in Spanien, 2,8 Prozent in Luxemburg – eine gewaltige Kluft trennt die Menschen in Euroland. Gleiche Währung für alle heißt eben noch lange nicht gleiche Verdienstmöglichkeiten für alle. Daniela Weingärtner