Mein Geburtstagsgeschenk von der Nato

■ E-Mail aus Belgrad: Die taz dokumentiert die Briefe der 24jährigen Andjela an das Augsburger Jugendmagazin „X-mag“

Gestern war mein Geburtstag. Seit dem Beginn dieses Krieges habe ich darauf gehofft, einen Geburtstag im Frieden feiern zu können. Ich war sogar ziemlich sicher, daß es klappen würde. Doch leider hat sich das wieder mal als naiver Optimismus erwiesen. Jetzt halte ich langsam so ziemlich alles für möglich, und ich sage mir: Hoffe nichts, denke nicht, mache keine Vorhersagen.

Mein Geburtstag sollte in diesem Jahr ein bißchen was Besonderes sein. Normalerweise hasse ich Geburtstage – sie erinnern uns nur daran, daß die Zeit vergeht und daß man hätte mehr erreichen können im Leben. Diesmal war es anders. Ich glaube, ich war einfach glücklich, am Leben zu sein, und ich wollte feiern. Außerdem war ich glücklich, erst 25 zu werden und nicht etwa 30.

Ich habe natürlich nicht an eine richtige Party gedacht. Erstens, weil ich mir das nicht leisten kann, da ich zur Zeit nicht arbeiten kann. Zweitens hat das Feiern einer Party immer etwas von Realitätsflucht, und das ist das letzte, was ich jetzt will. Deshalb habe ich auch nur einige wenige, sehr gute Freunde eingeladen.

Wir haben zunächst, unvermeidlicherweise, über Politik gesprochen. zum Glück haben wir alle eine ähnliche Meinung. Nach einiger Zeit jedoch kamen wir zu anderen Themen, sprachen über den Start des neuen Star-Wars Films und welche Alien-Filme die besten sind und stimmten darin überein, daß Almodovar die Goldene Palme von Cannes gewinnt.

Gegen Mitternacht begann wieder das „Feuerwerk“ – mein Geburtstagsgeschenk von der Nato. Wir sahen die Flugzeuge nicht, aber die Missiles sahen wir, die vom Boden aus auf sie abgefeuert wurden. Gegen zwei Uhr früh, als die Gäste gerade gegangen waren und wir schlafen gehen wollten, ging das Licht aus. Der Strom war weg, und er ist, abgesehen von zwei kurzen Momenten, jetzt schon seit über 24 Stunden nicht wiedergekommen.

Den Großteil des Tages habe ich schlafend verbracht. Da ich keinen Kaffee mehr kochen kann (wir haben nur einen elektrischen Herd), bin ich den ganzen Tag nicht wirklich wach geworden. Außerdem machen mich diese Stromausfälle ziemlich depressiv.

Viele Leute, mit denen ich nicht so regelmäßigen Kontakt habe, riefen mich an, um mir zum Geburtstag zu gratulieren. Sie sagen alle: „Du klingst viel besser als andere Leute.“ Ich finde das ein sehr schönes Kompliment. Dabei kann ich im Moment an nichts anderes denken als daran, wann das Wasser wieder läuft. Aber wenn das hier alles zu Ende ist, mache ich mein Diplom, und ich werde versuchen, ein normales Leben zu führen, irgendwo, nur nicht in Jugoslawien. Weder für mich noch für irgend jemand anderes gibt es hier noch eine Hoffnung auf eine solche Normalität.

Klar, das wird schwer werden. Die Flucht ist eine absolute Notwendigkeit. Auch wenn ich als Tellerwäscherin arbeiten muß (in Belgrad hätte mir eine akademische Karriere offengestanden) und ein Emigrantenschicksal erleide – wenigstens meine Kinder werden dan die Möglichkeit haben, glücklich aufzuwachsen.

Ich habe Angst. Meine Zukunft sieht ebenso aus wie die von Millionen anderer Flüchtlinge in der Welt – ziehe um die Welt, bis du seßhaft wirst, und schwelge in Nostalgie. Ich finde das pathetisch. Aber ich habe keine Wahl.