ABM für die Gauck-Behörde

■  SPD und CDU verpflichten ihre 1.100 KandidatInnen für Abgeordnetenhaus und BVVen zur Stasi-Überprüfung. Zwei SPD-Kreisvorsitzende kritisieren dies als Shownummer

SPD und CDU unterziehen sämtliche KandidatInnen für das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen schon vor den Wahlen im Oktober einer Stasi-Überprüfung. Die CDU läßt 500 KandidatInnen von der Gauck-Behörde durchleuchten, die SPD sogar 600. Im Wahlgesetz ist eine solche Überprüfung nicht vorgesehen. Dennoch verpflichten beide Parteien ihre KandidatInnen zu einer Einverständniserklärung.

Doch bei der SPD legen sich mindestens zwei Kandidaten quer: der Wilmersdorfer Kreisvorsitzende Christian Gaebler hält die Stasi-Überprüfung für eine „Show-Nummer“. Die Aktion sei fragwürdig und bedeute zudem einen ungeheuren bürokratischen Aufwand. Schließlich benenne eine Partei weit mehr KandidatInnen als nachher in die Parlamente einziehen. So wurden in Wilmersdorf 13 KandidatInnen für das Abgeordnetenhaus nominiert, doch nur drei gelten als aussichtsreich. Von 31 KandidatInnen der SPD für die dortige Bezirksverordnetenversammlung haben nur zehn eine Chance. Alle BewerberInnen zu überprüfen sei „eine unsinnige Überlastung der Gauck-Behörde“, kritisierte Gaebler. Der Wilmersdorfer Kreisvorstand werde den Beschluß des SPD-Landesausschusses nicht mittragen und KandidatInnen unterstützen, die eine Überprüfung ablehnen. Gaebler, der dem Parlament seit 1995 angehört und bereits überprüft worden ist, verwies darauf, daß die SPD-Abgeordneten, die tatsächlich ins Parlament einzögen, ohnehin „gegauckt“ würden.

Gaebler und der Kreuzberger Kreisvorsitzende Andreas Matthae hatten im Landesausschuß ebenso wie ein Zehlendorfer Delegierter gegen die flächendeckende Stasi-Überprüfung gestimmt. Matthae bezeichnete eine Stasi-Überprüfung generell als „anachronistisch“. Er sei 1989 erst 19 Jahre alt gewesen. „Wenn es Akten über mich gäbe, dann hätte die der CIA.“ Denn dort lagern die gesamten Akten, die Aufschluß über West-Zuträger der Stasi geben. Matthae hat ebenfalls die Rückendeckung seines Kreisvorstandes.

Alle SPD-KandidatInnen, die bis zum 17. Mai noch keine Einverständniserklärung unterzeichnet haben, wurden vom Landesverband ermahnt. Dies sei „nichts Außergewöhnliches“, erklärte SPD-Landesgeschäftsführer Ralf Wieland. Etliche Genossen hätten das Schreiben wohl erst mal beiseite gelegt oder seien in Urlaub. Als Begründung für die Vorabüberprüfung nannte er lapidar: „Weil wir es für diese Wahl so beschlossen haben. Damit es keine Spekulationen gibt.“

Beide Parteien hatten auch in der vergangenen Legislaturperiode im Vorfeld eine Stasi-Überprüfung ihrer KandidatInnen eingeleitet. CDU-Pressesprecher Matthias Wambach erklärte, die CDU wolle keine ehemaligen Stasi-Spitzel in ihren Reihen haben und auch nicht mit belasteten Personen in den Wahlkampf gehen.

Die grüne Fraktionschefin Renate Künast sprach sich gestern gegen eine Stasi-Überprüfung im Vorfeld aus: „Es kann nicht sein, daß mit wachsendem zeitlichen Abstand zur Wende immer mehr Zwang zur Stasi-Überprüfung ausgeübt wird.“ Sie plädiert für freiwillige Überprüfung von Abgeordneten, wie sie im Parlament Praxis sei. Dorothee Winden