Die Anzügliche

■ Die 28jährige Susan Tedeschi und die feminine Renaissance des Blues

Seit den Pionier-Tagen der großen Bessie und Mamie Smith haben Frauen stets ihr ganz eigenes Bild vom Blues entworfen, das immer auch ein unverhohlen anzügliches, sexuell aggressives war. Nachzuhören ist das heute noch, etwa auf der famosen Pre-World War II-Compilation Raunchy Business: Hot Nuts & Lollypops. „My Stove's In Good Condition“ lockt da Lil Johnson, und auch Lucille Bogan gebärdet sich als legitime Vorfahrin von Foxy Brown und Co., wenn sie im rauhen und überschwenglichen „Shave 'Em Dry“ gleich zum Auftakt tönt: „I got nipples on my titties big as the end of my thumb / I got somethin' between my legs that'll make a dead man come ...“

Tote Männer können heute eher bei Rapperinnen auf einen Orgasmus hoffen, doch nach einer kleinen Durststrecke in den 80er Jahren ist die feminine Renaissance auch im Blues kaum zu überhören. Neben Sue Foley und Debbie Davis muß dabei Susan Tedeschi zu den größten neuen Talenten gezählt werden. Der Stern der 28jährigen Blondine, die auf einen Abschluß am Berklee College Of Music verweisen kann, ging 1994 bei der Boston Battle Of The Blues Bands auf. Inzwischen machte sie selbst als Support für eine erfahrene Performerin wie Bonnie Raitt eine gute Figur.

Apropos: Äußerlichkeiten führen in ihrem Fall auf die falsche Fährte. Auf dem Cover ihres Albums Just Won't Burn präsentiert sich Susan Tedeschi zwar als sauberes all american girl, doch gebietet sie über eine wunderbar „schmutzige“ und dabei noch sehr variable Stimme, die ihre Erscheinung fast konterkariert, sich aber nicht nur auf ihr expressives Potential verlassen muß.

Entsprechend vielseitig ist ihr Repertoire. Souverän wandelt Tedeschi auf den klassischen Spuren von Ruth Brown („Mama, He Treats Your Daughter Mean“) und Little Walter („Little By Little“), schöpft ihr Potential aber erst so richtig aus, wenn sie etwa John Prine's „Angel From Montgomery“ Country-Blues-Schwingen verleiht. Dazu mischen ihre selbstverfassten Songs wie „Found Some-one New“ und „Looking For Answers“ das Sparten-Einerlei kräftig auf.

Ihr Hamburg-Debüt mußt Tedes-chi nun unter lichtem Stadtpark-Himmel im Vorprogramm der bewährten „Platzhirsche“ Buddy Guy und Keb'Mo bestreiten, wo doch ein kleiner Club der bessere Rahmen gewesen wäre. Aber schrecken wird sie das kaum.

Jörg Feyer mit Buddy Guy, Keb'Mo': So, 30. Mai, 15 Uhr, Stadtpark