Stumme Beklemmung

■ Trinker und Verwirrte: der Super-8-Filmer Jaap Pieters ist Das Auge von Amsterdam

Die stumme Beklemmung im Zuschauerraum weicht einer allmählichen Ungläubigkeit und entlädt sich schließlich in stürmischem Applaus. Jaap Pieters' tonlose Konzeptfilme erzeugen eine seltsame Spannung im Kinosaal; sie fokussieren das Besondere im Alltäglichen.

Seit Jahren dokumentiert der 44jährige Niederländer mit seiner Super-8-Kamera das Leben auf der Straße. Doch interessieren ihn nicht etwa die schicken Grachtenviertel oder schnuckeligen Cafés. Vielmehr sind es die vermeintlichen Banalitäten, die er mit seiner Kamera einfängt. Tonlos auf Zelluloid gebannt gewinnen selbst die absurdesten Belanglosigkeiten eine verblüffende Tiefe.

Protagonisten sind meist die Schiffbrüchigen der Gesellschaft – Trinker, Verwirrte, Obdachlose. In stummen Bildern erzählen die Filme kleine, obskure Geschichten. Jaap Pieters' ungewöhnlicher Blickwinkel auf die alltäglichen Ereignisse, erlaubt es jedoch auch, das Komische im Tragischen zu erkennen. Bei mancher skurrilen Momentaufnahme ist das Lachen einfach nicht zu unterdrücken.

Aber auch gegenständlichen Details schenkt Pieters seine konsequente Aufmerksamkeit – zum Teil mit einer einzigen eingefrorenen Einstellung über die ganze Länge einer mehr als drei Minuten dauernden Super-8-Rolle. So wird die Begegnung mit fünf Dutzend Kaffeetassen zu einer kleinen minimalistischen Sensation. Nachlässig auf eine laufende Spülmaschine gestapelt, vollführen sie einen regelrechten Tassentanz.

Seit 1996 bereichert Jaap Pieters nun schon regelmäßig mit seinen Arbeiten das jährliche Open-Air-Screening der All-NIZO-Super-8-Film-Zentrale. Dieses Jahr wird sein Werk mit der Retrospektive Das Auge von Amsterdam honoriert. Und während über die Leinwand Filme wie der Blechdosenmann, Jimmy's Ballet und Der Einkaufswagenmann flimmern, wird der niederländische Regisseur selbst anwesend sein und sich den heiklen Fragen seiner Fans und Kritiker stellen.

Ulrike Bals

Do, 27. Mai, 21 Uhr, Westwerk, Admiralitätstraße 74 und So, 30. Mai, 20 Uhr, Die Mission, Kaiser-Wilhelm-Straße 81