Brutalität der Sehnsüchte

■ Das südafrikanische Straßentheater M.U.K.A. führt den täglichen Überlebenskampf auf

Virginia Maubane rennt um ihr Leben. Im Rücken ihr flammendes Haus und eine Horde brandschatzender Zulus. Sie rennt durch die Straßen von Johannesburg, immer weiter, bis zur vollkommenen Erschöpfung. Dann wird ihr klar, daß sie nichts mehr hat: kein Geld, keine Papiere, keine Arbeit. Sie ist obdachlos, ohne jede Hoffnung.

In den politischen Unruhen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen nach der Freilassung Nelson Mandelas gegen Ende der Apartheid verloren viele Südafrikaner ihr Zuhause. Besonders schlimm traf es die Kinder und Jugendlichen. Ihr Leben auf der Straße ist gekennzeichnet von Hunger, Drogen, Prostitution und Gewalt. Einige suchen Schutz im Hillbrow YMCA, einer christlichen Jugendmission. Irgendwann landete auch Virginia dort, gekleidet wie ein Junge, konturlos, unsichtbar – und begegnet Peter Ndebele.

Etwa 25 Jugendliche hat der Streetworker um sich geschart. Sie teilen ihr Essen, ihre Schlafplätze und eine Vision: mit Straßentheater wollen sie Geld verdienen – und so überleben. Ihr Projekt nennen sie optimistisch M.U.K.A., Most United Knowledgeable Artists, und schreiben ihr erstes Stück The Chain. „Ich konnte nicht begreifen, woher sie ihre Zuversicht nahmen – und schloß mich ihnen an“, erinnert sich Virginia. Vor allem Peter Ndebeles Begeisterung hält die Gruppe zusammen. Über die Anfänge sagt er: „Wir wußten nichts über Schauspielerei, oder wie man Stücke schreibt. Aber dann erkannten wir, daß wir längst in einem Drama leben.“ In The Chain (Die Kette), verarbeiten sie ausschließlich wahre Begebenheiten und Erlebnisse. Sie erzählen von der Brutalität der Straße, aber auch von ihren Sehnsüchten und Hoffnungen.

„Wir wollten es ihnen direkt ins Gesicht sagen, all den Passanten, die an uns vorbeisehen, als wären wir nur ein Haufen Steine.“ Mit ihrem Debüt trat das M.U.K.A.- Projekt bereits in Schulen, Kirchen, Jugendzentren, Theatern und Gefängnissen auf. Seither sind außerdem ein Stück über AIDS, ein Musical über das Straßenleben und eine Fortsetzung von The Chain entstanden. Nun ist die Gruppe erstmals in Deutschland, um traditionelles afrikanisches Story-Telling mit Chorgesang und Percussion zu verbinden und daraus eine eindringliche Botschaft aus den untersten Schichten des neuen Südafrika zu weben. Ulrike Bals

Di, 1. , 20 Uhr+ Mi, 2. Juni 10.30 Uhr, Kölibri, Hein-Köllisch-Platz 12