New Labour ganz altmodisch

■ Großbritannien bekommt ein „Informationsfreiheitsgesetz“, dessen Freiheit vor allem die des Staates zur Geheimhaltung ist

Dublin (taz) – Man will sich nun doch lieber nicht in die Karten gucken lassen. Nach ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren hatte die britische Labour-Regierung ein radikales Weißbuch für eine Gesetzesreform vorgelegt, die für Transparenz bei den Regierungsgeschäften, Informationsfreiheit und Freigabe der Daten von Behörden sorgen sollte. Davon ist in der Gesetzesvorlage zum „Freedom of Information Act“, die in dieser Woche veröffentlicht wurde, nichts mehr übrig.

Premierminister Tony Blair hatte die Gesetzesreform damals als Eckpfeiler seiner Politik bezeichnet. Sie sollte den Bürgern gegenüber dem Staat mehr Rechte einräumen. Die Freigabe von Informationen dürfe nur dann verweigert werden, wenn „dem öffentlichen Interesse erheblicher Schaden“ entstehen würde. Bürgerrechtsorganisationen waren jedoch damals bereits skeptisch. Kurz nach seiner Veröffentlichung wurde nämlich der Architekt der Reform, David Clark, gefeuert, statt seiner nahm Innenminister und Labour-Rechtsaußen Jack Straw die Sache in die Hand. Was dabei herausgekommen ist, übertrifft jedoch die schlimmsten Befürchtungen.

Von dem „erheblichen Schaden für das öffentliche Interesse“ als Grund für Nichtauskunft seitens der Behörden ist keine Rede mehr. Nun reicht bereits ein „Nachteil für die effektive Ausübung von Amtsgeschäften“ – eine Blankovollmacht für Minister. Die Frist, in der Behörden auf Anfragen antworten müssen, wurde auf 40 Tage verdoppelt, die Bereiche, die von der Informationspflicht ausgenommen sind, auf 21 verdreifacht. Alles, was zum Beispiel mit nationaler Sicherheit, den Geheimdiensten, dem Königshaus, internationalen Beziehungen, der Wirtschaft und den Gerichten zu tun hat, bleibt weiterhin geheim.

Darüber hinaus werden der Bevölkerung auch sämtliche Beratungsprotokolle und andere Hintergrundinformationen, die zu bestimmten Entscheidungen geführt haben, vorenthalten. Selbst die Empfehlungen der Untersuchungskommission, die vor kurzem der Londoner Polizei im Mordfall an einem schwarzen Teenager Rassismus vorwarf, werden ignoriert: Die Polizei muß lediglich mitteilen, wie viele Beamte mit einem Fall beschäftigt sind. Und falls man einen Bereich vergessen hat, den man gerne geheimhalten möchte, kann Straw das Paket jederzeit erweitern. Bürgerrechtsorganisationen reagierten empört. John Wadham, Direktor von „Liberty“, sagte, daß die Gesetzesvorlage schwächer sei als der von den Tories 1994 aufgestellte Verhaltenskodex. Maurice Frankel, Direktor der Kampagne für Informationsfreiheit, sagte: „Man hatte erwartet, daß die Gesetzesvorlage hinter dem Weißbuch von 1997 zurückbleiben würde. Aber konnte man damit rechnen, daß sie so deutlich zeigt, wie tief die Minister die Kultur der Geheimhaltung verinnerlicht haben, die sie zu bekämpfen vorgeben?“

Norman Fowler, innenpolitischer Sprecher der Tories, feixte, daß der längste Paragraph in der Gesetzesvorlage die Liste der Ausnahmen sei. Auch die Medien gehen mit der Labour-Regierung hart ins Gericht. „Die Gesetzesvorlage ist ein Triumph der Reaktion“, schreibt der liberale Guardian-Kolumnist Hugo Young. „Sie markiert die endgültige Verwandlung einer Partei, die die Welt verändern wollte, in eine Regierung, die es nicht zulassen will, daß ihre eigene Welt verändert wird.“ Bis zum 20. Juli wird über die Vorlage beraten. Bis sie rechtskräftig wird, können noch fünf Jahre vergehen.

Ralf Sotscheck