Nichtregierungsorganisationen gefesselt

■ Ein neues ägyptisches Gesetz macht unabhängige politische Arbeit unmöglich. Der Staat muß künftig jede Initiative genehmigen

Kairo (taz) -Als „das Ende der ägyptischen Zivilgesellschaft“, deklarierte ein Menschrechtsaktivist in Kairo das Mittwoch Nacht vom ägyptischen Parlament erlassene neue Gesetz zur Regelung der Arbeit privater Vereinigungen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Geht es nach den Buchstaben des Gesetzes, dann ist unabhängige Menschrechts- Frauen- und Umweltarbeit im Land am Nil in Zukunft unmöglich. Die Regierung nimmt die in den letzten zehn Jahren herangewachsenen unabhängigen Gruppen an die Kandarre.

Laut dem Gesetz dürfen die Organisationen nur noch unter dem wachsamen Auge des Staates agieren. Sie brauchen dessen Zustimmung, um sich registrieren zu lassen, für ihre Aktivitäten und für die Bestimmung ihrer Gremien und ihrer Gründungsmitglieder. Die Regierung muß in Zukunft jegliche Spendengelder, sei es aus dem In- oder Ausland genehmigen. Die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen bedarf ebenfalls der Zustimmung der Regierung. Das Wort „Nicht“ in „Nicht-Regierungs-Organisationen“, kann dami gestrichen werden.

Dazu kommt, daß die Arbeit der Gruppen nicht der von politischen Parteien ähneln darf. Viele Gruppen befürchten, daß mit dieser Einschränkung jegliche politische Arbeit neben den Parteien, etwa in Menschenrechtsgruppen, kriminalisieren werden kann. Verstöße gegen das neue Gesetzt werden mit der Auflösung der Gruppen oder Gefängnisstrafen für deren Mitglieder geahndet.

Das Gesetz wurde nach einer heftigen und kontroversen zweitägigen Parlamentsdebatte verabschiedet. Vertreter der Regierungspartei verteidigten die neuen Regelungen im Namen der nationalen Sicherheit und des nationalen Interesses. Das Gesetz beschütze die Gesellschaft vor Organisationen, die mit ihren geheimen Aktivitäten gegen das nationale Interesse arbeiteten, lies etwa Ahmad Abu Seid, der Sprecher der Regierungspartei verlauten.

Die wenigen Vertreter der Opposition griffen das Gesetz scharf an. „Ich verstehe nicht wie eine Regierung, die die Nation ökonomisch liberalisiert, sie politisch so einschränkt“, erklärte ein Vertreter der linken Sammlungspartei. Sein nasseristischer Kollege fand es „unverzeihlich, daß ein derart restriktives Gesetz in einer Zeit erlassen wird, in der viele anderer Entwicklungsländer große Schritte zur Demokratisierung unternehmen“.

Die von dem Gesetz betroffenen Menschenrechts- und Frauengruppen hatten sich bereits zuvor zur Wehr gesetzt. Vier Frauen waren am Wochenende in einen Hungerstreik getreten. Über hundert private Vereinigungen solidarisierten sich mit ihnen.

Sehr wahrscheinlich wird das neue Gesetz zu weiteren Konfrontationen zwischen Regierung und lokalen Menschenrechtsgruppen führen. Ein Dutzend von ihnen hat bereits öffentlich erklärt, die neuen Regeln mißachten zu wollen. „Wenn sie unsere Büros schließen, dann arbeiten wir zu Hause weiter und wenn sie uns einsperren, dann eben von unseren Gefängniszellen aus“ erklärte Gasser Abdal Rasek, Chef des Kairoer Zentrums für Menschenrechte und Rechtsberatung trotzig. Wir werden in den kommenden Wochen und Monaten hart daran arbeiten, dieses Gesetz zu eine Todgeburt zu machen“, kündigte er an.

Noch gibt es etwas Spielraum. Das Gesetz muß noch von Präsident Husni Mubarak bestätigt werden. Je nach internationalen und nationalem Echo, könnte er sich damit Zeit lassen, um die ganze Sache am Ende womöglich sogar ganz zu vergessen. Karim El-Gawhary