Kolumbiens Präsident rettet den Friedensprozeß

■ Kollektiver Rücktritt des Verteidigungsministers und 16 hoher Generäle sollte die Verhandlungen mit der Guerilla torpedieren. Die Rechte und die Armee machen mobil

Wien (taz) – Kolumbiens Präsident Andres Pastrana hat einen Machtkampf mit der Armeeführung gewonnen und damit den Friedensprozeß in seinem Land vorerst gerettet. Verteidigungsminister Rodrigo Lloreda Caicedo und der Großteil des Generalstabs hatten versucht, durch ihren Rücktritt am Mittwoch eine Kabinettskrise auszulösen. Mit ihrer Demission am Mittwoch protestierten der Minister und 16 Generäle dagegen, daß Pastrana die Entmilitarisierung der sogenannten Entspannungszone der Guerilla für die Dauer der Verhandlungen, also auf unbestimmte Zeit, verlängert hatte. Ein Nachgeben Pastranas hätte rechtsextreme Gruppen gestärkt, die den Friedensprozeß torpedieren wollen.

Fünf Gemeinden im Süden Kolumbiens mit einer Gesamtfläche von der Größe der Schweiz waren im vergangenen Dezember entmilitarisiert worden und dienen seitdem als Verhandlungszone, wo sich Vertreter der Regierung ungestört mit den Kommandanten der „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (FARC) treffen können. Für die Militärs bedeutete die faktische Abtretung dieses dünnbesiedelten Territoriums eine empfindliche Schmach. Sie dürfen jetzt nicht mehr verhindern, daß unter dem Schutz der FARC Koka angebaut wird und die Guerilla neue Kämpfer rekrutiert. Im übrigen würden durch den unbezahlten Einsatz der Bevölkerung für Straßenprojekte durch die Guerilla die Menschenrechte verletzt. Die Militärs, so entgegnet die FARC, rächen sich durch das Aushungern des Gebiets. Lastwagenfahrer, die Waren in eine der fünf Gemeinden bringen, müssen an den Kontrollpunkten Geld zahlen.

Seit Präsident Pastrana zu Monatsbeginn mit den FARC einen Themenkatalog für Friedensverhandlungen definierte, nimmt der Druck rechtsextremer Gruppen zu. Die Paramilitärs – jener bewaffnete Akteur, der die Menschenrechte am gröbsten verletzt – wollen sich in die Verhandlungen einschalten und verlangen, daß der Punkt „Bekämpfung des Paramilitarismus“ von der Tagesordnung gestrichen wird. Um die Regierung unter Druck zu setzen, ließ Carlos Castalo, der Chef der paramilitärischen Organisation „Vereinigte Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens“ (AUC), am 21. Mai die liberale Senatorin Piedad Cordoba kidnappen. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses setzt sich für die Rechte der Frauen und der schwarzen Minderheit Kolumbiens ein. Auch der Gewaltforscher Daredo Betancur, der am 30. April verschleppt wurde, befindet sich vermutlich in den Händen der Paramilitärs. Deren Handschrift trug auch die Ermordung des Universitätsprofessors Hernen Henao in Medellin am 2. Mai.

Die Offensive der Rechten läuft auf allen Ebenen. Vor wenigen Tagen versuchten drei pensionierte Generäle auf Einladung US-republikanischer Stiftungen in Washington eine Änderung der US-amerikanischen Haltung zum kolumbianischen Friedensprozeß zu bewirken. Auch die Viehzüchterlobby macht gegen die Friedensverhandlungen mobil, weil sie das Thema Agrarreform nicht diskutiert haben will.

Vorerst hat sich nun Pastranas Hochkommissar für Frieden, Victor Ricardo, durchgesetzt. Er wird in den nächsten Tagen die Gespräche mit den Rebellen aufnehmen.

Ralf Leonhard