Schüsse und Widersprüche

Beim Angriff von Kurden auf Israels Generalkonsulat in Berlin sollen laut SFB-Bericht Sicherheitsleute zum Teil ohne Notwehr auf die Menge gefeuert haben  ■   Von Julia Naumann

Beim Angriff von Kurden auf das israelische Generalkonsulat im Februar dieses Jahres in Berlin haben israelische Sicherheitsleute offenbar ohne Notwehr auf die Kurden geschossen. In dem offiziellen Polizei-Video, das dem SFB-Magazin „Kontraste“ zugespielt und gestern abend ausgestrahlt wurde, ist dies eindeutig belegt.

Das Video legt nahe, daß bedeutend weniger Kurde an der Aktion beteiligt waren, als von israelischen Behörden und der Berliner Polizei bisher behauptet. Auf dem Band sind nur etwa 20 Kurden zu sehen, die am 17. Februar auf der Eingangstreppe des Konsulats stehen – mit dem Rücken zum Haus. Etwa zehn Kurden waren zu diesem Zeitpunkt bereits in das Gebäude eingedrungen, heißt es in der „Kontraste“-Sendung. Auf dem Video sind keine Kurden mit Äxten und Eisenstangen zu sehen, sondern nur einige, die mit Ästen bewaffnet sind. Dann fallen im Gebäude Schüsse, die auf dem Video zu hören sind. Draußen vor der Tür ist davon aber noch nichts zu merken: Die Menge blieb noch ruhig.

Panik bricht erst eine Minute später, um 13.47 Uhr aus: Elf Schüsse werden abgefeuert. Einige Menschen brechen auf der Treppe zusammen. Schützen sind auf dem Video nicht zu erkennen. Unmittelbar nach den Schüssen, so zeigt das Video, wirft die Polizei Tränengas. Erst nach fünf Minuten öffnet die Polizei das Seitentor, um die Menge wieder auf die Straße kommen zu lassen.

In dem Beitrag werden auch schriftliche Aussagen von Polizeibeamten zitiert, die aussagen, daß zwei Personen mit Faustfeuerwaffen auf Brusthöhe mindestens 30 Schüsse abgegeben haben sollen. Sie sollen in der Tür des Generalkonsulats gestanden haben. Ein Polizeibeamter sagt: „Beide schossen für mich völlig gezielt auf die vor ihnen befindliche Personen.“ Die Israelis hatten dagegen in ihrer offiziellen Stellungnahme immer wieder erklärt, daß sie „alle Maßnahmen angewandt hatten, um den Gebrauch von Schußwaffen zu vermeiden“.

In der Presseerklärung hieß es damals, daß sie erst auf diese zurückgegriffen hatten, als sich die Situation zuspitzte und es zu einer „direkten lebensbedrohlichen Situation“ für einen Sicherheitsbeamten kam. Die Schüsse, so die Israelis, „wurden ausschließlich innerhalb des Konsulats abgegeben und nur in Notwehr“.

Bereits im März hatte Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge Zweifel geäußert, ob die von Israelis reklamierte Notwehrsituation für alle Schüsse gelte. Karge hatte darauf hingewiesen, daß Aussagen deutscher Polizisten außerhalb des Gebäudes der israelischen Darstellung widersprächen.