Wegen Kriegsverbrechen gesucht: Slobodan Milosevic

Berlin (taz) – Zum erstenmal ist mit Slobodan Miloevic ein amtierendes Staatsoberhaupt vom Internationalen Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien angeklagt und weltweit zur Fahndung ausgeschrieben worden. Die Bemühungen für eine diplomatische Lösung des Konflikts im Kosovo stehen damit auf der Kippe: Den Unterhändlern steht kein Verhandlungspartner auf jugoslawischer Seite mehr zur Verfügung.

Es gebe nur eine Leitlinie für ihr Handeln, sagte gestern Louise Arbour, die Chefanklägerin des Tribunals: Wenn sie ausreichende Beweise für eine Anklage gesammelt habe, werde diese erhoben. Fragen von Journalisten, ob der Zeitpunkt für die Anklageerhebung nicht denkbar unglücklich sei, wies sie bei ihrer gestrigen Pressekonferenz in Den Haag zurück. Sie habe sich auch nicht mit den politischen Instanzen der Allianz abgestimmt. Vielmehr sei offensichtlich, daß Politiker wie Miloevic, denen sie schwerste Kriegsverbrechen vorwerfen müsse, keine Partner einer Friedensregelung sein könnten. Auf die Frage, ob die Anklage von Miloevic die diplomatischen Verhandlungen negativ beeinflussen werde, sagte Nato-Sprecher Jamie Shea nur, dies sei „keine Frage für die Nato“. Außer gegen Miloevic erhob das Tribunal Anklage gegen den serbischen Präsidenten Milan Milutinovic, den serbischen Innenminister Vlajko Stojiljkovic, Jugoslawiens Generalstabschef Dragoljub Ojdanic und den jugoslawischen Vizepremier Nikola Sainovic. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit, besonders Mord, Vertreibung und andere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Die Ermittlungen des Haager Tribunals beruhen weitgehend auf Berichten von Flüchtlingen und Vertriebenen aus dem Kosovo sowie auf Informationen, die westliche Regierungen der Anklägerin zur Verfügung stellten. Jugoslawien erklärte, man werde einen Haftbefehl nicht anerkennen, weil das Kriegsverbrechertribunal nicht existent sei.

Die Anklageerhebung wurde von den UN-Sicherheitsratsmitgliedern Rußland, China und Frankreich kritisiert. Jelzins Sprecher Dmitri Jakuschkin sagte, alle Bemühungen zu einer Lösung der Krise auf dem Balkan seien ohne Beteiligung Miloevics „zum Scheitern verurteilt“, die chinesische Regierung befürchtete negative Konsequenzen für eine friedliche Beilegung des Kosovo-Kriegs. Auch Oppositionelle in Belgrad befürchteten, jetzt werde Miloevic in die Enge gedrängt. Ludger Volmer, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, sagte der taz, er hoffe, daß die jugoslawische Bevölkerung einsehe, daß es mit Miloevic keine positive Zukunft geben könne. Stefan Schaaf