Drei plus für die Baubehörde

Am Montag wird Hamburgs erste Veloroute eingeweiht. Stärken und Schwächen der 4,7 Kilometer langen Strecke prüfte  ■ Heike Dierbach

Sie sollen der „Restmenge Radfahrer“ endlich zu ihrem Recht verhelfen, schnell und sicher durch die Stadt zu kommen: Die zwölf Velorouten, für die die Baubehörde Mitte 1997 ein Konzept vorlegte. Zehn neu gebaute Strecken sollen sternförmig in die Innenstadt führen, zwei legen sich ringförmig um die City. Am Montag wird die Pilotroute von Lokstedt ins Univiertel eingeweiht. Einen „hohen Fahrkomfort“ verspricht die Info-Broschüre, eine „radfahrerfreundliche Signalisierung an Kreuzungen“, dazu der „Verlauf auf immissionsarmen Strecken“. Endlich freie Fahrt fürs Fahrrad? Die taz hamburg machte den ultimativen Streckentest:

Der Anfang am Behrmannplatz ist schon mal nicht schlecht. Die rot-weißen Wegweiser für die Route sind nicht zu übersehen. Den Grandweg entlang darf man auf der Straße fahren und kommt zügig voran: ein Pluspunkt.

Aber damit ist es in der Stresemannallee auch schon wieder vorbei. Die Schilder lotsen auf einen zweispurigen Fahrradweg links von der Fahrbahn. Sind wir denn hier in England? Das Linksfahren ist nicht nur irritierend, sondern auch gefährlich: Aus den Seitenstraßen kommende Autofahrer rechnen nicht mit Radlern. Sicher, wem sein Leben lieb ist, der kann ja bei jeder Einmündung bremsen. Das aber hassen RadfahrerInnen – verliert man doch dabei die im Schweiße des Angesichtes errungene Schubkraft! Ein grober Formfehler, zwei Punkte Abzug.

Kriminell wird es auch am Zwei-Richtungs-Radweg kurz vor der Ecke Troplowitzstraße (siehe nebenstehendes Foto): Kühlerhauben und Hecks parkender Autos ragen weit auf die Veloroute. Die FahrerInnen trifft ausnahmsweise keine Schuld – die Parkplätze sind zu kurz. Bei Fahrrad-Gegenverkehr heißt es jetzt: abbremsen und sich aneinander vorbei drängeln. Schreckhafte Naturen werden wahrscheinlich absteigen. Wahlweise kann natürlich auch eineR auf die Straße ausweichen, sofern gerade kein Auto entgegenkommt... Das gibt anderthalb Minuspunkte in der Rubrik Stil.

Die Kreuzung Stresemannallee/ Eidelstedter Weg stimmt versöhnlich: Hier dürfen RadfahrerInnen auf der Straße an der Autoschlange vorbeibrausen und sich vor der Ampel gar „vordrängeln“ – das hat was. Weiter geht's durch die Unnastraße, über die Gärtnerstraße bis zur Kreuzung Eppendorfer Weg. Der hier eingerichtete Kreisel spart enorm Zeit: Vorher wartete man oft minutenlang auf eine Lücke in der Autoschlange. Auch die neue Brücke über den Isebekkanal – grün mit roten Fahrrädern! – wissen RadlerInnen zu würdigen. Hier fehlen allerdings noch die „Kein Durchgang“-Schilder zur Abschreckung verirrter FußgängerInnen. Trotzdem: Gibt zwei Pluspunkte mit Fleißsternchen.

Leider, leider verliert die Veloroute dann eine ihrer Aufgabenstellungen („imissionsarme Strecke“) aus den Augen. Anstatt weiter geradeaus durch die ruhige Heymannstraße zu führen, geht es nach links, am Kaiser-Friedrich-Ufer entlang und auf die vielbefahrene Bogenstraße. Zwei Punkte Abzug wegen inhaltlicher Widersprüche.

Die Querung der Straße „Beim Schlump“ ist zwar gelungen – Fahrräder können in einer Grünphase nach links abbiegen. Aber am Grindelberg heißt es schon wieder bremsen: Beide Ampeln sind nicht aufeinander abgestimmt (siehe Foto unten). Gutwilligkeit angenommen ist das ein Flüchtigkeitsfehler: Einen halben Punkt Abzug.

Fast ist das Fahrt- und Lernziel schon erreicht, da verdirbt ein grober Patzer die Laune. Die Streckenführung entlang der Rutschbahn stellt einen nicht tolerierbaren Umweg dar. Folgt man dem alten Radweg an der Grindelallee und dann links der Heinrich-Barth-Straße, ist man mindestens zwei Minuten schneller. Da läßt sich kein Auge zudrücken: Drei Fehlerpunkte.

Da der gute Wille erkennbar ist, hätte die Baubehörde trotz allem für ihre Leistung noch eine zwei minus verdient – wenn die Route der schnellste Weg von Lokstedt zur Uni wäre. Aber auf der Luftlinie Lokstedter Steindamm, Hoheluftchaussee und Grindelberg haben weiterhin die immissionsproduzierenden Autos Vorfahrt. So reicht es leider nur für eine drei. Als pädagogischen Anreiz gibt's ein kleines Plus dazu – das kann nächstes Mal noch besser werden. Setzen.

Das Info-Faltblatt zur Veloroute kann angefordert werden unter

Tel.: 428 40 35 11.