Stilbruch „linientreu“: Stahl statt Holz

■ Die Bremer Stahlkünstlerin Sabine Eisbrenner baut Stahlmobiliar: Lampen, Tische und „Momentstühle“

Sabine Eisbrenner ist eine Künstlerin, die den Stilbruch gezielt einsetzt – obwohl ihr Design unter dem Namen „linientreu“ läuft. Letzter Tatort der Stahlwerkerin in Eigenregie ist der Bremer Kiefernmöbelsortimenter „Regale“: Dem hat sie mitten in die rustikale Serienfertigung von Betten, Schreibtischen und Spielzeugkisten ihre Unikate gepflanzt. Noch dazu aus Stahl, mit viel Schwung und wenig Schnörkeln. Sabine Eisbrenner weiß: „Die meisten Leute irritiert diese Mischung. Aber manche springen auch drauf an.“ Einige leider völlig unkontrolliert: „Meinen besten Kerzenständer haben sie gerade geklaut“, schimpft die Künstlerin auf freche Diebe und fragt sich, wie das gelingen konnte. Das Stahlstück war immerhin mannshoch und schwer. Und aus dem Laden raus kommt man nur an der Kasse vorbei – die ehemalige Sozialpädagogin hat dort selbst jahrelang gearbeitet.

Zurückhaltende KundInnen sind der Künstlerin vergleichsweise lieber. Solche, die auf der Suche nach einem Hochbett für den Enkel plötzlich rufen: „Willi, guck mal, da ist ein Schlüssel verbraten.“ Diese Menschen haben das Markenzeichen der Stahlarbeiterin Eisbrenner erkannt: Maschinenteile, Werkzeuge, mindestens kleinere Schrauben – irgendwas davon findet sich in jedem Stück der Eisbrennerin – ob Sessel, Schränkchen, Lampe oder Tisch. Dem dient beispielsweise ein 65er Schraubenschlüssel, eine gute Elle hoch und mindestens Brockhaus-schwer, als stabiles Mittelbein, seit das Werkzeug im Hafen nicht mehr gebraucht wird. „Konventionen in Frage stellen“, sagt die Frau dazu. Für das Bein der nächsten Tischgröße mußte eine fette Kardanwelle herhalten. Beim Tischchen daneben ist nur der Fuß geschichtsträchtig: Er sollte mal eine Bremsscheibe in einem schweren Brummer aus der Landwirtschaft werden. Als der Hersteller pleite ging, griff Sabine Eisbrenner zu. So kommt sie auch an ihr Material, wenn sie nicht auf Streifzug ins Industriegebiet fährt. Oder wenn gute Freunde ihr keine Tips geben.

Handwerkerinnen wie Sabine Eisbrenner brauchen Tips. „Neu kannst du das Material kaum bezahlen“, stöhnt sie. Manches sei auch einfach nicht zu kriegen, kindskopfgroße Eisenkugeln beispielsweise. So eine, ein paar Stahlrohre und eine polierte Platte wurden ihr erstes Objekt: Ein Stuhl, bei dem Vorder- und Hinterbeine sich wie ein X kreuzen. Die Vorderbeine mündeten hinten in die Lehne, auf den kürzeren Hinterbeinen schwebte die Sitzfläche. Ein schönes Teil – nur ein bißchen rutschig. Stahl eben.

„Momentstuhl“ nennt die Künstlerin so ein Objekt, auf dem sich zwar gemütlich Fleezen läßt. Aber nicht lange. Am Ende sitzt ja kein Hintern rutschfest auf glattem Edelstahl. „So ein Stuhl ist gut fürs Telefonieren“, verrät die Eisbrennerin ein bißchen von sich und lacht dann. Zu Hause hat sie nämlich sechs verschiedene Momentstühle um den Eßtisch stehen. „Freunde quälen“ nennt sie ihre Einladungen zum Abendessen.

Tatsächlich sind die meisten Objekte sorgfältig ausbalanciert. Auch Stehlampen wie „Friedolin“, ein rundliches Strichmännchen auf metallenen Patschfüßen. „Wenn das Teil nicht gut steht, trete ich das in die Tonne“, sagt die Künstlerin. Und daß es manchmal Wochen dauert, die richtige Balance oder die richtige Bequemlichkeit zu erarbeiten – was am hohen Anspruch liegt. „Funktion und Ästhetik müssen harmonieren.“ Aber auch an den Arbeitsbedingungen.

Bis einzelne Stücke exakt passen, läuft die 35jährige oft unzählige Male aus ihrer Neustädter Werkstatt-Garage rüber in die nahe Schlosserei. Zum Biegen, zum Formen, zum Stahlschneiden. „Aber eine richtige Werkstatt kann ich mir nicht leisten“, kalkuliert Sabine Eisbrenner nüchtern. „Die wäre ein echter Kostenfaktor.“

Um eine große Werkbank anzuschaffen, oder – noch besser – lasergesteuertes Schneidwerkzeug, müßte sie sicher Auftragsarbeiten annehmen; Wintergärten bauen, wie es Bekannte tun. „Aber Auftragsarbeiten – das will ich nicht. Ich mache nur, was mir gefällt. Wenn jemand einen simplen Schreibtisch will, muß er dafür zum Schlosser gehen.“ Trotzdem lebt Sabine Eisbrenner mittlerweile vom Verkauf ihrer Metallobjekte, von denen die größeren schon was kosten: zwischen 800 und 2.000 Mark. ede

Zu sehen sind die Stahlmöbel bei „Regale Wohnsystem“, an der Weide 27.