Die FDP ringt mit der Freiheit

Der Bremer Parteitag der Liberalen zeigt, wie schwer sich die Partei mit der Oppositionsrolle tut. Für eine Abgrenzung zur CDU fehlt noch immer der Mut  ■   Aus Bremen Markus Franz

Eigentlich sollte der Altliberale Burkhard Hirsch nur kurz die Beschlußfähigkeit des 50. Bundesparteitags der FDP in Bremen feststellen. Aber dann erlaubte er sich noch eine Stichelei: In einer Zeitung habe er die Überschrift gefunden: „Die Liberalen suchen die Freiheit.“ Er hoffe, fügte er mit einem resignativen Unterton an, „das wird uns gelingen“.

Parteichef Wolfgang Gerhardt versuchte, den Worten die Spitze zu nehmen. „Das ist die Losung, die er immer vor Parteitagen bringt“, sagte er etwas ungelenk, „wie die olympische Formel.“Hirschs Äußerung war brisant. Zum einen legte er den Finger auf die Wunde, daß die FDP sich als Bürgerrechtspartei verabschiedet hat. Zum anderen lenkte er das Augenmerk auf eine Frage, die die Partei am liebsten unter den Teppich kehren will: Ist die FDP frei genug, sich von der CDU zu lösen?

Gerhardt pries zwar in seiner wenig begeisternden Rede die Oppositionsrolle der FDP als „Freiheit statt Oppositionszwang“. Aber es ist bekannt, daß er für das Jahr 2002 eine Koalition mit der CDU anstrebt. Deswegen stimmte er seine Partei bei der Bundespräsidentenwahl auf die CDU-Kandidatin Dagmar Schipanski ein. Und wohl deshalb sprach er sich bei der Nachfolge des zurückgetretenenen Schatzmeisters Hermann-Otto Solms für Paul Friedhoff und gegen Jürgen Thiele aus. Was auf den ersten Blick politisch unerheblich erscheint, hat verblüffend viel Bedeutung. So viel, daß Generalsekretär Guido Westerwelle am Vorabend zwar sorgenvoll murmelte: „Das ist eine sehr wichtige Entscheidung“, aber nicht sagen wollte, warum.

Friedhoff ist als Gegner von Möllemann bekannt, der sowohl in NRW als auch auf Bundesebene für eine Koalition mit der SPD eintritt. Eine Entscheidung für Friedhoff wird deshalb in der FDP als Signal gegen Möllemann verstanden, der sich gestern als Präsidiumsmitglied zur Wahl stellen wollte. Möllemann ließ durchblikken, daß er auf seine Wahl verzichtet, falls Friedhoff gewählt werden solle. (Bis Redaktionsschluß war die Wahl nicht beendet.)

Möllemann war es auch, der gestern hochgradig erregt für einen Kurswechsel zur SPD warb, ohne das allerdings ausdrücklich zu fordern. „Wir dürfen uns keine Grenzen vorgeben“, rief er aus. „Es geht mir darum, liberale Ideen durchzusetzen. Und dabei ist mir ziemlich schnurz, wer mir dabei hilft.“ Wie es heißt, soll Möllemann nur aus Ärger über Gerhardts Rede in die Bütt gestiegen sein. Der Parteichef hatte sich gegen eine Koalition mit der SPD ausgesprochen. „Für falsche Politik steht die FDP als Reservepartei nicht zur Verfügung.“

Hinter der Frage: Eher SPD oder eher CDU? steht auch die künftige inhaltliche Ausrichtung der FDP. Eigentlich wollte sie einen vorsichtigen Kurswechsel zu mehr sozialpolitischer Kompetenz vollziehen. Der wurde aber offenbar bereits im Vorfeld des Parteitages abgebogen. Der Leitantrag des Bundesvorstandes mit der Überschrift: „Liberaler ist sozialer“ soll zurückgezogen und statt dessen eine Kommission berufen werden. Wer Angst um die Existenz habe, heißt es in dem Antragsentwurf, „ist nicht frei“. Liberale befürworteten daher eine „aktive Sozialpolitik mit Herz“. Westerwelle hatte an diesem Antrag maßgeblich mitgewirkt. Sein Ziel: Sympathiedefizite der FDP zu beseitigen und sie für die sogenannten kleinen Leute attraktiv zu machen.

Aber in der Partei gibt es dagegen heftigen Widerstand. Die FDP dürfe nicht den Eindruck machen, sich der Mehrheit der Wähler anzubiedern. Wie schwierig die Glaubwürdigkeit eines Kurswechsels wäre, zeigte die Rede von Gerhardt. Der forderte: „Weg vom Vollkaskostaat, Eigenverantwortung statt Anspruchsdenken, Leistung statt Verweigerung“. Sozialpolitik mit Herz?

Parteichef Gerhardt ist gegen eine Annäherung an die SPD: „Als Reservepartei steht die FDP nicht zur Verfügung.“