Leere Staatskassen, volle Bankkonten

Heute geben Nigerias herrschende Militärs nach fast sechzehn Jahren Diktatur endlich die Macht ab. Für ihr zukünftiges wirtschaftliches und politisches Wohlergehen haben sie bestens vorgesorgt    ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Es war eine typisch nigerianische Großveranstaltung, mit Bankett, hochtrabenden Reden und feierlichem Getue. „Ökonomische Stärkung im Ruhestand“ war das Thema, und die anwesenden Generäle und Offiziere waren ganz bei der Sache. „Nach dem 29. Mai werden ich und einige meiner Kollegen in den Ruhestand gehen“, sagte Luftmarschall Al-Amin Daggash in Vertretung des Staatsoberhauptes Abdulsalam Abubakar: „Ruhestand kommt immer, früher oder später.“

So entstand vor zwei Monaten in Nigerias Hauptstadt Abuja der „Verband der Frauen pensionierter Armee- und Polizeioffiziere“ (RAFPOWA), der nach Angaben ihrer Vorsitzenden Victoria Gowon, Frau eines früheren Diktators, die Wohlfahrt ihrer Mitglieder durch Unternehmertum fördern will. RAFPOWA hat viel Geld: Nigerias Armee spendete eine Million Naira (20.000 Mark), ebenso die Polizei, während Ex-Stabschef Theophilus Danjuma (Oberstleutnant a. D.) beglückt doppelt soviel gab.

RAFPOWA ist eine von unzähligen Initiativen, in denen sich Nigerias hohe Militärs um ihr zukünftiges Wohlergehen bemühen, sich umschulen lassen und neue Perspektiven erkunden. Die Sorgfalt, mit der sie dies tun, beweist, wie ernst sie es meinen: Nach fast sechzehn Jahren Diktatur gibt Nigerias Militär heute die Macht ab.

Juntachef Abdulsalam Abubakar, der nach dem Tod seines Vorgängers Sani Abacha im Juni 1998 die Macht ergriff und danach eine Demokratisierung verkündete, macht sein Versprechen wahr und übergibt das Amt des Staatsoberhauptes an Olusegun Obasanjo, der am 27. Februar die ersten freien und gültigen Präsidentschaftswahlen Nigerias seit sechzehn Jahren gewann. Und alle versprechen hoch und heilig, nie wieder werde es in Nigeria einen Militärputsch geben.

Die Währungsreserven sind zuletzt kräftig geschrumpft

„Ökonomische Stärkung im Ruhestand“ bedeutet für Nigerias Generäle zunächst, ihre bisherige Macht von der Politik in die Wirtschaft zu übertragen. Während der Zeit der Militärherrschaft 1984 – 99 sind nach Schätzungen der Opposition bereits umgerechnet 100 Milliarden Mark in die Taschen der Regierenden gewandert. Und vor der jetzt anstehenden Machtübergabe haben die Militärs offenbar noch einmal tief in die Staatskassen gegriffen: Nigerias Währungsreserven schrumpften seit Abubakars Amtsantritt vor einem Jahr um fast die Hälfte auf knapp über vier Milliarden Dollar, ohne daß Regierung oder Zentralbank dieses Geld offen ausgegeben hätten.

Nachdem der Internationale Währungsfonds dafür im April eine Erklärung verlangte, sagte Juntachef Abubakar vorletzte Woche, die Wahlen der letzten Monate hätten schließlich Geld gekostet, ebenso die Erhöhung der Gehälter im Staatsdienst und die Reparatur der Ölraffinerien.

Die Wahlen kosteten jedoch nicht mehrere Milliarden Dollar, die Ölraffinerien in Nigeria sind immer noch kaputt, und die zugesagten Gehaltserhöhungen sind bisher kaum gezahlt worden.

Dafür aber hat die Regierung neben Ruhestandsseminaren für Militärs jede Menge neuer staatlicher Bauprojekte ins Leben gerufen, deren Nutzen zweifelhaft ist. Abubakar hielt seine Rede zur Erklärung des Milliardenloches auf einer Feier zur Grundsteinlegung eines neuen Fernsehgebäudes für umgerechnet 2,5 Millionen Mark. An solchen Dingen verdienen zumeist Firmen im Besitz von Militärs oder ihren Freunden.

Nigerias Generäle geben die politische Macht ab – und sichern sich im Gegenzug die wirtschaftliche. Als ausgemacht gilt, daß die während der Diktatur reich gewordenen Militärs als erste zuschlagen wollen, wenn demnächst marode Staatsbetriebe zur Privatisierung anstehen. Nigerias Demokratie ist teuer erkauft.

Wenn sie wollen, können die Generäle dann trotzdem in der Politik Karriere machen – so wie Obasanjo, ein pensionierter General. Denn Nigerias neue Demokratie ist eine Millionärsdemokratie; die Parteien sind von privater Finanzierung abhängig und gleichen eher mafiösen Interessenkoalitionen als politischen Verbänden.

In 30 der 39 Jahre seit Nigerias Unabhängigkeit war bisher das Militär an der Macht. Der Eintritt in die Streitkräfte galt bis jetzt als sicherstes Sprungbrettt für eine politische Karriere, und bei der Mehrheit der hohen Offiziere kann man dies als die eigentliche Motivation ihrer Berufswahl voraussetzen. „Eine Reihe alter Offiziere sitzt jetzt in den Regierungen der Bundesstaaten“, weiß der Politologe Umesa Yakub. Er sieht dies positiv, da Soldaten dadurch erfahren, daß sie nicht putschen müssen, um politische Macht zu erhalten. Zugleich ist dies aber eine schwere Hypothek für die entstehende Zivilregierung in Nigeria.

„Die Militärs warten, daß die Politiker Fehler machen“

Juntachef Abubakar ist sich dessen bewußt. „Wir müssen unsere Haltung zur Politik überprüfen“, sagte er auf einer seiner vielen Reden der letzten Zeit. „Wir müssen lernen, daß wir mit der Politik nichts zu schaffen haben, abgesehen von unserer Bürgerverantwortung, politische Führer zu wählen.“

Doch ist damit noch lange nicht gesichert, daß die Ära der Militärherrschaft in Nigeria vorbei ist. Aufschlußreich ist, was Juntachef Abubakar neuerdings in seinen Abschiedsreden betont: Die Verantwortung dafür, daß es keine Militärputsche mehr in Nigeria gäbe, liege bei der Zivilregierung. Sie müsse sich eben korrekt verhalten, damit niemand mehr zum Putschen verleitet wird. Ex-Stabschef Salihu Ibrahim wurde vor einer Woche noch deutlicher: „Das Militär kommt meistens dann an die Macht, wenn die Bürger frustriert sind. Gute Regierung ist das Gegenmittel zum militärischen Eingreifen.“

Auf den Fall, daß „die Bürger frustriert sind“, bereiten sich nach Meinung mancher Beobachter einige Mitglieder der Streitkräft bereits vor. Von einem „unterschwelligen Rumoren“ spricht Haja Bilikusu Yusuf, Chefredakteurin einer Zeitung in Kaduna, wo die Militärakademie der nigerianischen Elite ist. „Ich beobachte Militärs, die darauf warten, Militärverwalter zu werden. Sie warten, daß die Politiker ihre Fehler machen. Sie warten, bis Obasanjo seinen Krieg gegen die Korruption startet. Denn wenn er damit anfängt – wer bleibt dann ungeschoren?“ Dominic Johnson