■ Deutsche Entschuldungsinitiative: früher, tiefer, breiter

Für die alte christliberale Bundesregierung war Nord-Süd-Politik kein Thema. Das neue, rot-grüne Bundeskabinett will dagegen hier neue Akzente setzen. Dem Kölner Weltwirtschaftsgipfel will Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) eine Initiative zur Entschuldung der ärmsten Entwicklungsländer unterbreiten. Dadurch soll das bestehende Entschuldungsprogramm der Weltbank von 1996, die sogenannte HIPC*-Initiative, „früher, tiefer, breiter“ greifen. Im Rahmen der Weltbank-Initiative können bis zu 41 Entwicklungsländer, die meisten davon in Afrika, einen Teil ihrer ingesamt über 200 Milliarden US-Dollar Schulden von IWF und Weltbank sowie den Geberstaaten erlassen bekommen; die privaten Banken sind angehalten mitzuziehen. Erst drei Länder – Bolivien, Guyana und Uganda – sind allerdings bisher in den Genuß einer gewissen Schuldenreduzierung gekommen.

Der deutsche Vorschlag enthält vier Punkte: Erstens sollen sich die betroffenen Länder schon früher als bisher für einen Schuldenerlaß qualifizieren können. Statt bisher sechs sollen künftig drei Jahre strikter, vom IWF beaufsichtigter Strukturanpassungsprogramme als Voraussetzung genügen.

Zweitens sollen die Geberländer den ärmsten Ländern alle Forderungen aus der bilateralen Entwicklungshilfe erlassen. Die Bundesrepublik würde fünf Länder – Nicaragua, Honduras, Bolivien, Guyana und die Elfenbeinküste – von solchen Schulden befreien. Drittens sollen auch die Handelsschulden, also die durch Exportbürgschaften wie die Hermesversicherung aufgelaufenen Schulden, bis zu 100 Prozent gestrichen werden können; bisher waren es nur 80 Prozent. Damit könnte immerhin rund ein Drittel der HIPC-Schulden gestrichen werden.

Und viertens soll der Ermessensspielraum, welche Länder für einen Schuldenerlaß in Frage kommen, ausgeweitet werden. Jedes Land, dessen Schulden mehr als 200 Prozent der jährlichen Exporteinnahmen betragen, soll berücksichtigt werden können. Derzeit ist die Grenze vage bei 200 bis 250 Prozent gezogen.

Wird die Schuldeninitiative so verabschiedet, wie von der Bundesregierung vorgeschlagen, würde das einen Schuldenerlaß von rund 40 Milliarden US-Dollar oder 73 Milliarden Mark ermöglichen. Auf die Bundesrepublik würden 3 Milliarden Mark Kosten zukommen. lieb

*Highly Indebted Poor Countries (hochverschuldete, arme Länder)