„Eine Show unter der Regie der Nato-Verbrecher“

■ Einhellig verurteilen die Politiker in Belgrad die Anklage des UN-Tribunals gegen Milosevic. Beobachter sehen darin einen Aufruf zum Aufstand gegen den Präsidenten

Für die Anklage des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag gegen den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloevic, die Vertreter der serbischen jugoslawischen Regierung, den jugoslawischen Generalstabschef und den Chef der Polizei, hatte Ivica Dacic, Pressesprecher der regierenden Sozialistischen Partei in Serbien, nur Hohn und beißenden Spott übrig. Das Ganze sei doch nichts anderes als eine „Show unter der Regie der Nato-Verbrecher“. Diese wollten damit doch nur von ihren eigenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ablenken.

„Unsere Führung, die Armee und die Polizei verteidigen einig und mit allen Kräften unser Land. Deshalb ist diese Anklage gegen das gesamte serbische Volk gerichtet“, erklärte Dacic. Am gleichen Tag, an dem das Haager Kriegsverbrechertribunal die Anklage erhoben hatte, explodierten etwa dreihundert Nato-Projektile auf dem Gebiet Jugoslawiens. Mindestens fünf Zivilisten wurden dabei getötet, das attackierte Stromnetz fiel wieder aus, und zwei Drittel Serbiens waren, wie bereits mehrfach in den vergangenen Tagen, stundenlang ohne Stromversorgung.

Die Reihen hinter Milosevic sind noch fest geschlossen

Analytiker und politische Beobachter in Belgrad werten die Anklage des Haager Tribunals gegen die jugoslawische-serbische politische und militärische Führung zum jetzigen Zeitpunkt als einen Versuch der Nato-Strategen, einem Aufstand in Serbien gegen Miloevic nachzuhelfen. Anscheinend soll das Volk nun endlich darauf kommen, daß es eigentlich nicht das Vaterland verteidigt, sondern nur Slobodan Miloevic davor beschützt, dem Kriegsverbrechertribunal ausgeliefert zu werden. Die ersten Reaktionen zeigen jedoch, daß die Reihen hinter Miloevic, der jetzt als Kriegsverbrecher angeklagt ist, immer noch geschlossen sind.

„Wenn das Haager Tribunal ein Rechtsorgan wäre, würde es sofort reagieren, wenn jemand ein Kriegsverbrechen begeht“, meint Vladan Batic, der Koordinator des Bundes für Veränderungen, um den sich zwanzig oppositionelle Parteien versammeln. „Das Tribunal hat jedoch ein paar Jahre lang geschwiegen, um dann an nur einem einzigen Tag die Anklage gegen mehrere Vertreter der serbisch-jugoslawischen Regierung zu erheben. Und das passiert gerade in dem Moment, wo die Chancen für eine politische Lösung der Krise im Kosovo gut stehen und steigen.“

Die Anklage des Tribunals hat eine Welle der Empörung in Serbien ausgelöst. „Anscheinend ist wohl die einzige akzeptable Lösung für Washington, daß Serbien total kapituliert“, erklärt Vojislav Kotunica, Vorsitzender der Oppositionellen demokratischen Partei Serbiens, ein erwiesenermaßen unerbittlicher Gegner und Kritiker des jugoslawischen Präsidenten Miloevic. Seit über zwei Monaten begehe die Nato nun schon systematisch Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die die Regeln und Gesetze des Krieges mißachten. So könne die Anklage gegen Miloevic doch nur auf eine einzige Art gedeutet werden: als die Durchführung einer politischen Direktive. Andrej Ivanji, Belgrad