Die Titanic ist gerettet

Der Klassenerhalt für Eintracht Frankfurt weist Jörg Berger doch als Mann aus, der „Unmögliches ermöglicht“  ■ Von Klaus Teichmann

Frankfurt/Main (taz) – Rolf Heller muß keine Frösche fangen gehen. Das hat er früher gemacht, als Kind am Frankfurter Riederwald. Heute ist Heller Präsident des in diesem Wald ansässigen Bundesligisten Eintracht Frankfurt. Bundesligisten! Back to the roots and frogs heißt es für Heller nicht, denn sein Team gewann im letzten Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern sensationell hoch mit 5:1. Die innige Umarmung mit Rettungsmann Jörg Berger dokumentierte es nachdrücklich – geschafft.

Immerhin hatte Heller es fast schon verbaselt, als er den Aufstiegs- und auch in der Hinrunde erfolgreichen Coach Horst Ehrmantraut feuerte. Und dafür den kleingeistigen Froschschenkelliebhaber Gernot Rohr holte. „Die Verpflichtung von Rohr war ein Fehler“, sagt er heute. Doch der größere Fehler war wohl die Verpflichtung von dessen Spezi Reinhold Fanz, den er alsbald wieder entließ.

Jörg Bergers Motto, „das Unmögliche möglich machen“ hängt seitdem in der Kabine der Kicker von Eintracht Frankfurt. Und wie Pawlowsche Hunde sind dieselben Spieler diesem Motto gefolgt, die noch bei Fanz konzeptlos und fahrig die Grundlagen für einen soliden Abstieg gelegt hatten. Wie das ging? Nur so war es möglich, daß die Eintracht das „Unmögliche“, korrekter: das Unwahrscheinliche möglich machen konnte. Mehr noch: Mit dem 5:1 über den damit aus der Champions League verbannten 1. FC Kaiserslautern hat der Klub dem Fußballvolk auch ein dramaturgisch nicht mehr zu übertreffendes Abstiegsfernduell beschert, von dem man noch lange und mit leuchtenden Augen erzählen wird – sofern man nicht zum 1. FC Nürnberg hält.

Otto Rehhagel hatte seinen FCK vorsichtig eingestellt, er wußte nämlich, daß „die Eintracht viel mehr als wir zu verlieren hat“. Folglich entspann sich ein stellenweise hübsch anzusehender Kick, wie er jedoch im allgemeinen unter dem Label Sommerfußball abgebucht wird. Dies änderte sich nach der Pause: Chen Yang donnerte nach feinem Paß des überragenden Bernd Schneider das Leder zum 1:0 unter die Latte. Nach Schjönbergs Ausgleich per Handelfmeter waren 70 Minuten gespielt und das „Unmögliche“ war noch unwahrscheinlicher geworden. Doch Thomas Sobotzik köpfte postwendend die abermalige Frankfurter Führung und fast synchron schrien alle Radiobesitzer im weiten Rund vor Freude auf. Kurz darauf erfuhr ein weithin unbekannter Reservespieler namens Marco Gebhardt das, was Andy Warhol mit den berühmten 15 Minuten meinte: an der Eckfahne bekam er den Ball, spielte ihn wie einst JayJay Okocha mit der Hacke über Nationalspieler Ballack hinweg, lief noch ein paar Schritte und es hieß 3:1. Otto Rehhagel war schon nach Schneiders 4:1 „restlos bedient“. Aber die Eintracht brauchte ja noch einen Treffer, und also besorgte ihn Jan-Aage Fjörtoft.

Matchwinner Fjörtoft bat später erst Oberbürgermeisterin Petra Roth zum Tanz auf der Tribüne, ehe er an die Zukunft der Eintracht dachte: „Trainer bleibst du jetzt nächstes Jahr?“ schrie er, nachdem er tanzend in die Pressekonferenz geplatzt war und verpaßte dem Retter eine Limonadendusche. Berger, der laut Mittelfeldstratege Sobotzik „sogar die Titanic gerettet hätte“, will (im Gegensatz zum Vorjahr in Karlsruhe, als er sich erst mal in den Urlaub verabschiedete) zunächst vor Ort bleiben, bis die Konzepte für die nächste Runde wasserdicht sind.

Bis auf den nach Leverkusen abwandernden Bernd Schneider dürfte er alle Akteure zur Verfügung haben, beim neuen Versuch das Feuerwehrmann-Image zu erweitern. Der am Froschtümpel knapp vorbeigeschrammte Heller will ihm zusätzlich drei gestandene Spieler besorgen, im Gespräch ist unter anderen Ouakili von 1860 München. Das soll die Voraussetzung schaffen, um auch in Zukunft „ das Unmögliche möglich“ zu machen.

Und falls es mit einem kontinuierlichen Aufschwung doch zunächst einmal noch nichts werden sollte: „Helden leben lange, doch Legenden sterben nie“, versprachen die Anhänger im Waldstadion. Die Profis und Jörg Berger sollten sie beim Wort nehmen.

Für immer unvergessene Eintracht Frankfurt: Nikolov – Janßen (86. Westerthaler) – Kutschera, Bindewald – Zampach (69. Brinkmann), Schur, Bernd Schneider, Sobotzik, Weber (58. Gebhardt) – Yang, Fjörtoft – Trainer: Jörg Berger1. FC Kaiserslautern: Reinke – Ramzy (58. Ballak) – Koch, Schjönberg – Buck, Ratinho, Sforza, Riedl (52. Reich), Wagner – Rösler (35. Rische), Marschall – Trainer: Otto Torhagel

Zuschauer: 58 280 (ausverkauft)Tore: 1:0 Yang (47.), 1:1 Schjönberg (68./Handelfmeter), 2:1 Sobotzik (70.), 3:1 Gebhardt (79.), 4:1 Bernd Schneider (82.), 5:1 Fjörtoft (88.)