■ Dokumentation der Grausamkeit
: Vier Tote seit 1993

Nach einer Dokumentation der Antirassistischen Initiative Berlin verloren in den Jahren 1993 bis Ende 1998 vier Menschen bei ihrer Abschiebung aus Deutschland ihr Leben, 58 wurden verletzt. Unter den Opfern waren ein ungeborenes Kind aus dem Kosovo, das im Februar 1998 während der Abschiebung seiner Mutter aus München unter unbekannten Umständen im Mutterleib starb. Bekannt wurde der Fall des Nigerianers Kola Bankole, der sich gegen seine Abschiebung heftig gewehrt hatte. Er wurde im August 1994 durch Bundesgrenzschützer auf dem Frankfurter Flughafen in Hockstellung gefesselt und mit einem Mund-Nasen-Pflaster und einem Klebeband geknebelt. Anschließend verabreichten sie ihm eine Beruhigungsspritze.Nach Angaben mehrerer Ärzteorganisationen ist Bankole erstickt.

Dieser Umgang des Bundesgrenzschutzes mit sich wehrenden Abschiebekandidaten ist kein Einzelfall. Gegenüber der Frankfurter Rundschau hatte Udo Burkholder vom BGS Frankfurt/Main 1995 erklärt, „in Einzelfällen“ würden Abzuschiebenden die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden und die Beine mit Klettverbänden umwickelt werden. Derart bewegungsunfähig gemacht, müßten sie dann von BGSlern wie ein Paket ins Flugzeug getragen werden. Das Antirassismus-Büro in Bremen ergänzte damals gegenüber der Frankfurter Rundschau, daß resistente Gefangene stundenlang vor dem Flug weder Essen noch zu trinken bekämen, damit sie nicht zur Toilette müßten.

Besonders peinlich für den BGS war die Abschiebung des Ghanaers Joseph Gyimah im April 1998 von Berlin-Schönefeld: Die vier BGS-Beamten, die den Mann auf dem Flug begleitet hatten, waren in Dhacca unter dem Vorwurf in Haft genommen worden, ihren unfreiwilligen Passagier während des Fluges mißhandelt zu haben. Nach Aussagen von Mitreisenden wurde Gyimah mit einer Kette um Beine und Bauch an seinen Sitz gefesselt.

Die Antirassistische Initiative dokumentierte zwischen 1993 und 1998 anhand von Presseveröffentlichungen und Bundestags-Drucksachen neben den vier Toten während der Abschiebung 90 Tote auf ihrer Flucht in die Bundesrepublik. 67 Flüchtlinge verloren beim Überqueren der deutschen Ostgrenze ihr Leben, neun starbendurch Polizeigewalt, 64 brachten sich angesichts der drohenden Abschiebung selbst um, sechs verübten unmittelbar nach der Abschiebung in ihre Herkunftsländer Selbstmord. Tote durch Gewalt von Polizisten während der Abschiebung hatten in 1998 in Belgien und vor vier Wochen in Österreich zu öffentlichen Protesten und politischen Konsequenzen geführt. Belgiens Innenminister Louis Tobback ist nach dem Tod einer Nigerianerin zurückgetreten.Österreichs Innenminister Karl Schlögl war wegen des Todes eines während der Abschiebung gefesselten und geknebelten Nigerianers in die Kritik aller Parteien geraten. Er setzte vorübergehend alle Abschiebeverfahren aus.