Neue Farbe für Europas höchsten Strommast

Gerhard Böhrnsen arbeitet gern unter freiem Himmel. Seit 28 Jahren klettert der Niedersachse auf Türmen in der Republik herum, um ihnen einen neuen Anstrich zu verpassen. Seine jüngste Arbeitsstelle liegt auf Europas höchstem Strommast. Der Mast – direkt an der Elbe in Hetlingen – verbindet gemeinsam mit seinem Zwilling auf niedersächsischer Seite das skandinavische Stromnetz mit Mitteleuropa.

Etwa 230 Meter ragen die Türme in die Höhe. Seit 21 Jahren halten die Masten der Elbekreuzung die Leitungen mit der höchsten Spannung, die in Europa genutzt wird: 380.000 Volt. Jetzt ist der Lack ab auf mindestens der Hälfte der 21.635 Quadratmeter Stahl.

Aufgefangen werden die Farbreste in den Arbeitsplattformen, die speziell für die Masten angefertigt wurden. Jeden Abend wird der Dreck abgesaugt. Maler Böhrnsen, der erfahrenste im Team, fühlt sich wohl auf dem Stahlgitter am Elbdeich: „Eine Leiter ist viel gefährlicher. Die kann umkippen. Der Mast nicht“, sagt er. Der 980 Tonnen schwere Stahlkoloß schwankt bei starkem Wind zwar um einige Meter. Doch das geschieht so langsam, daß es nur auf den beiden Auslegern in der Spitze zu spüren ist. Trotzdem gibt es für die Arbeit Grenzen, die die Natur setzt. Bei Windstärke sieben ist Schichtende. Größeren Ärger bereitet Regen. Denn dann schafft es der Lack nicht mehr, schnell zu trocknen. Also: Pause oder Schichtende.

Ohnehin kann nur in den warmen Monaten von Mai bis September auf den Strommasten gearbeitet werden. Deshalb werden für die Arbeiten pro Mast drei Jahre eingeplant. 70 Tonnen Farbe sollen in dieser Zeit verstrichen werden. Kosten pro Jahr: 800.000 Mark.

Michael Rahn