Protokollarische Polizeipanne

■  Wie ein Berliner Polizeibeamter einmal den Bundestagspräsidenten zu einer Diskussion einlud, wieder auslud und daraus fast eine Staatsaffäre wurde. Innenstaatssekretär Böse räumte Fehler ein

Es roch nach einer Staatsaffäre. Da lädt die Berliner Polizei den Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) zu einer Diskussionsveranstaltung ein und dann wieder aus. Ohne Begründung. Als der zweithöchste Repräsentant der Bundesrepublik beim Innensenator anfragt, warum er ausgeladen wurde, bleibt sein Schreiben drei Wochen lang unbeantwortet.

„Ein ungeheuerlicher Vorgang“, wetterte der SPD-Abgeordnete Hans-Georg Lorenz. Er verlangte gestern im Innenausschuß eine „wahrheitsgemäße Information“. Hatte etwa Innensenator Eckart Werthebach (CDU) dafür gesorgt, daß SPD-Mann Thierse wieder ausgeladen wurde? Hatte Werthebach gar den Innenausschuß belogen, als er erklärt hatte, Thierses Teilnahme sei an „Terminschwierigkeiten“ gescheitert?

Doch je mehr Staatssekretär Kuno Böse auf hartnäckige Fragen preisgeben mußte, desto klarer wurde, daß profane Pannen zu der protokollarischen Affäre führten.

Eingeladen hatte den Bundestagspräsidenten der Leiter der Polizeidirektion 7, Michael Knape. Er wollte Thierse im Vorfeld des 1. Mai das AHA-Präventionskonzept (Aufmerksamkeit, Hilfe, Appelle) nahebringen. Doch war Knape etwas übereifrig an die Sache herangegangen und hatte Thierse eingeladen, ohne den für solche Protokollfragen zuständigen Innensenator zu konsultieren.

Erst in einer Sitzung des CDU-Arbeitskreises Innere Sicherheit erfuhr Werthebach davon, daß die Polizei Politiker einladen wollte – und beharrte auf seiner Zuständigkeit. Zudem hatte er das AHA-Konzept noch nicht einmal abgesegnet. Da schwante wohl auch Knape, so Böses Schilderung, daß er seine Kompetenzen überschritten hatte. Um die Panne auszubügeln, habe Knape dann Thierses Bürgerbüro aufgesucht und die Einladung zurückgenommen. Die Veranstaltung fand dann an einem anderen Termin statt.

Der grüne Abgeordnete Wolfgang Wieland bezweifelte Böses Version. Er hielt es für „lebensnäher“, daß Knape im Arbeitskreis „der Kopf gewaschen“ worden sei. Das bestritt Böse ebenso wie Wielands Vermutung, daß die Affäre bei einer anderen Parteizugehörigkeit des Eingeladenen wohl anders ausgegangen wäre. Böse: „Da kennen sie Herrn Werthebach nicht!“ Der Staatssekretär räumte „Mißverständnisse und Verfahrensfehler“ ein und bedauerte den Vorgang „zutiefst“. Thierses Brief sei so lange liegengeblieben, weil der Senator in Urlaub war. Er, Böse, habe angeordnet, das Schreiben dem Senator nach dessen Rückkehr vorzulegen.

Knape wurde übrigens letzte Woche trotz der Protokollpanne befördert. Dorothee Winden