„Die Nato bombt sich in die Sackgasse“

■  Angelika Beer, verteidigungspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, hat mittlerweile Zweifel an der Richtigkeit der Nato-Strategie in Jugoslawien. Sie hat den Eindruck, daß die USA keine Verhandlungslösung mehr, sondern eine militärische Neuordnung auf dem Balkan anstreben

taz: Sie haben gerade die „absurde Strategie der Nato“ für „endgültig gescheitert“ erklärt. Noch auf dem Bielefelder Parteitag haben Sie die Nato-Bombardierung gegen Jugoslawien als „alternativlos“ bezeichnet. Wie paßt das zusammen?

Angelika Beer: Ich habe dort gesagt, daß ich die Situation jeden Tag aufs neue überprüfe. Die politischen und militärischen Rahmenbedingungen haben sich in der letzten Woche geändert. Die Nato ist uneinig. Ein Teil forciert die Vorbereitung von Bodenkampftruppen, der andere versucht die Chancen der Diplomatie für eine UN-Resolution zu verstärken. Gegenwärtig bombt sich die Nato in die Sackgasse und vergibt dadurch politischen Handlungsspielraum.

Bisher hat die Nato ihre Ziele nicht erreicht. Beschleicht Sie nicht manchmal das Gefühl, daß der Eintritt in diesen Krieg vielleichtdoch ein Fehler war?

Ich bleibe dabei: Es gab damals keine Alternative. Es ging um die Entscheidung zwischen zwei Übeln. Wenn Instrumente aber kontraproduktiv werden, wie zum Beispiel jetzt durch die Verschärfung der Luftschläge gegen zivile Ziele, dann muß man sie überprüfen. Ich sehe gegenwärtig die Gefahr eines militärischen Automatismus und einer Eskalation.

Milosevic ist vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal angeklagt. Wird da die Forderung nach einer diplomatischen Lösung des Konflikts nicht allmählich zu einer bloßen Worthülse?

Die Situation ist schwieriger geworden, aber durch die Zusage Belgrads, die Bedingungen der G-8-Staaten zu akzeptieren, gibt es noch Spielraum. Der wird im Moment von der Nato verkleinert. Meine Sorge ist, daß die USA das Kriegsziel geändert und kein Interesse an einer Verhandlungslösung haben, sondern militärisch eine Neuordnung auf dem Balkan durchsetzen wollen.

Wie will man denn mit jemandem, gegen den ein internationaler Haftbefehl besteht, eine Feuerpause aushandeln?

Aus meiner Sicht ist der Weg direkter Verhandlungen mit Miloe- vic durch die Anklage versperrt, weil diese das Tribunal im Grunde ad absurdum führen würden. Außenminister Fischer versucht aber alles, um im Rahmen der G-8-Bedingungen mit Rußland eine friedliche Lösung zu finden. Ich hoffe, daß ihm die Nato dabei keine Knüppel zwischen die Beine wirft.

Sie setzen sich für eine „humanitäre Feuerpause“ein, die vor allem die Versorgung der Flüchtlinge erleichtern soll. Warum fordern Sie nicht, wie andere Grüne, eine politische Feuerpause?

Die erste Verpflichtung besteht darin, die Menschen im Kosovo aus ihrer schrecklichen Situation zu befreien. Dafür brauchen sie Medikamente und Lebensmittel. Außerdem kann eine humanitäre Feuerpause den Einstieg in eine politische Lösung erleichtern. Sie würde Wochen dauern und deutlich machen, daß ein Waffenstillstand möglich und notwendig ist.

Die Nato fordert den Rückzug der serbischen Einheiten aus dem Kosovo. Ist der zu verwirklichen, wenn den Streitkräften gleichzeitig Bombardierungen drohen?

Das ist vollkommen unrealistisch. Wie soll jemand seine Truppen zusammenziehen, wenn er fürchten muß, daß sie bombardiert werden? Das verstärkt meinen Verdacht, daß Teile der Nato nicht an einer Verhandlungslösung interessiert sind.

Schröders außenpolitischer Berater Steiner hat jetzt durchblicken lassen, daß er die Beteiligung der Bundeswehr auch an Bodenkampfeinsätzen für möglich hält. Was sagen Sie dazu?

Die Schmerzgrenze für die Grünen ist erreicht. Es wird keinerlei deutsche Beteiligung an wie immer gearteten Kampfeinsätzen in Jugoslawien mit grüner Zustimmung geben.

Auch dann nicht, wenn die UNO ein Mandat erteilt?

Es bedarf der Zustimmung Belgrads zu einer internationalen Friedenstruppe. Man kann den Frieden nicht durch einen Kampfeinsatz erzwingen.

Welche Rolle spielt die Stimmungslage Ihrer Partei für Außenminister Fischer?

Fischer weiß, daß wir Grüne an einem Punkt angekommen sind, an dem wir sagen, bis hierhin und nicht weiter. Maßgeblich für Joschka Fischer ist die Suche nach einer internationalen Friedenslösung. Interview: Bettina Gaus