Die Verhältnismäßigkeit der Mittel

■ Grüne diskutieren Kosovo. Radcke zweifelt an Nato-Strategie

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat sich gestern auf einer Sondersitzung mit der Frage befaßt, welche Konsequenzen die Beschlüsse des Bielefelder Parteitags zur Kosovo-Krise für die Bonner Ebene haben sollen. Die Abgeordneten diskutierten einen Entwurf für eine gemeinsame Stellungnahme der Fraktion, in dem unter anderem eine einseitige Unterbrechung der Nato-Luftangriffe gefordert wird, um eine „umgehende Versorgung“ der Binnenflüchtlinge im Kosovo zu ermöglichen und „die Chancen für eine politische Lösung des Konflikts“ zu erhöhen.

„Die Suche nach einer politischen Lösung des Konfliktes wird immer zwingender, um einen Ausstieg aus der militärischen Eskalationsspirale zu ermöglichen“, heißt es in dem Entwurf. „Die Fraktion unterstützt weiterhin die beharrlichen Bemühungen und Initiativen des Außenministers Joschka Fischer durch eine Einbindung Rußlands über den G 8-Rahmen eine gemeinsame Grundlage für eine UN-Sicherheitsratsresolution zu erarbeiten, aufgrund derer eine internationale Friedenstruppe in den Kosovo entsandt und damit eine wesentliche Voraussetzung für die Rückkehr der Flüchtlinge geschaffen werden soll.“ Die Fraktion verfolge die Vermittlungsbemühungen „mit großer Hoffnung“.

Grundlage des Entwurfs war ein federführend von dem Abgeordneten Christian Sterzing erarbeitetes Eckpunkte-Papier, in dem verschiedene Handlungsoptionen für die Fraktion aufgelistet werden. In dem Papier wird unter anderem die Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus dem Kosovo gefordert, die Absage an den Einsatz von Bodentruppen bekräftigt und die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel im Zusammenhang mit den zunehmenden Nato-Angriffen auf zivile Ziele aufgeworfen. Das Papier wird in dem Fraktionsentwurf als „geeignete Grundlage für die Weiterarbeit“ bezeichnet. Offen war bei Redaktionsschluß, ob einzelne Punkte daraus in den Fraktionsentwurf übernommen werden sollten.

In der Parteizentrale der Grünen gehen unterdessen „verstärkt seit letzter Woche“ Anfragen ein, was denn im Blick auf den Bielefelder Parteitagsbeschluß bisher geschehen sei, sagte die Vorstandssprecherin Antje Radcke gegenüber der taz. „Der Eindruck verstärkt sich, daß die Strategie der Nato nicht aufgeht“, meinte die Parteichefin. Sie ließ erkennen, daß auch bei ihr ein Prozeß des Umdenkens eingesetzt hat: „Für mich ganz persönlich habe ich durchaus manchmal Zweifel, ob es richtig war, mit den Bombardierungen zu beginnen, weil keines der Ziele bisher erreicht worden ist.“

Bettina Gaus