PKK-Boß in Sack und Asche

■ Zerknirscht, friedfertig und kooperationsbereit seinem früheren Gegner, dem türkischen Staat, gegenüber zeigte sich Abdullah Öcalan gestern vor dem Staatssicherheitsgericht. Er stehe nicht unter Druck und sei nicht gefoltert worden. Der geläuterte Guerillero will jetzt für den Frieden leben. Doch ihm droht der Tod

„Ich will erklären, daß ich am Tag meiner Festnahme versprochen habe, für den Frieden zu leben, und daß ich seit dem Tag meiner Ankunft in der Türkei keinen Druck und keine Folter erlebt habe.“ So begann der PKK-Chef Abdullah Öcalan gestern morgen seine kurze Erklärung vor Gericht. Es war der erste Prozeßtag seit Verhandlungsbeginn, der auf der Gefängnisinsel Imrali stattfand und an dem Öcalan selbst teilnahm. Er ist des Separatismus, des Mordes und des Hochverrats angeklagt.

„Ich gebe mein Wort, daß ich für Frieden und Brüderlichkeit leben und mich in den Dienst des Staates stellen will. Dafür will ich leben. Ich will mich dafür einsetzen, das Blutvergießen zu beenden. Wir müssen für Frieden und Brüderlichkeit leben.“

Seine wochenlange Irrfahrt durch mehrere Länder vor seiner Festnahme im Februar in Kenia kommentierte Öcalan bitter: „Ich protestiere dagegen, daß Länder wie Griechenland, Rußland, Italien und Kenia gegen das Völkerrecht verstoßen haben.“

Öcalan, von seinen Anhängern gern Apo (Onkel) genannt, ging in der Erklärung auch auf die Opfer des seit 15 Jahren geführten PKK-Guerillakriegs gegen den türkischen Staat ein. Er wandte sich in diesem Teil seiner Rede direkt an die Angehörigen der toten Soldaten, die als Nebenkläger im Gerichtssaal saßen. „Ich möchte noch eine kurze Erklärung zu den Märtyrerfamilien abgeben“, sagte er. „Ich teile ihren Schmerz. Und außerdem möchte ich die Märtyrerfamilien um Vergebung bitten.“

In einer weiteren Erklärung am Ende der Verhandlung forderte Öcalan seine Genossen dazu auf, die Waffen niederzulegen. Die PKK solle dem „demokratischen Staat“ nicht länger Widerstand entgegensetzen. „Ich habe einen Punkt erreicht, an dem ich – wenn auch zu spät – einsehe, daß mein Leben für die Türkei von Nutzen sein kann. Das türkische und das kurdische Volk sollen sich nicht bekämpfen. Ich mag große Fehler gemacht haben, aber laßt es uns nicht noch schlimmer machen. Laßt diese Rebellion die letzte des kurdischen Volkes in der Türkei sein.“ AFP/taz

Tagesthema Seite 3