Raufen im Grünen

Sonntagsausflug für Tierkinder: Eine „gemischte Welpengruppe“ besuchte  ■ Judith Weber

Sheila hatte eine schwere Jugend. Herrchen war Alkoholiker, das Zuhause eine Hölle. Mit sechs Monaten bekam Sheila Kinder – lief weg, wurde zurückgebracht und rannte wieder davon. „Da hat sie ja quasi ihre Kindheit verloren“, empört sich eine Frau und schaut die schwarze Hündin mitleidig an. Sheila bemerkt es nicht. Sie zerbeißt gerade einen Ball.

Um sie herum wuseln vier Welpen in unterschiedlicher Höhe und Behaarung – flitzen durch den Spieltunnel aus buntem Zeltstoff, den andere Menschen für ihre Kinder kaufen, zanken sich um ein wabbeliges Gummihuhn und machen die Erwachsenen stolz, die am Gartentisch sitzen und ihnen zusehen. Vier Frauen und ein Mann sind nach Barsbüttel/Stellau gekommen, um am „Welpenprägungsspieltag“ teilzunehmen. „Hündische Kommunikation in der gemischten Welpengruppe“ versprach eine Zeitungsanzeige, und „Hundeausbildung mit Nicole“.

Nicole sitzt ebenfalls an dem weißen Plastiktisch, auf dem Salzbrezeln und Portionstüten mit Hunde-Trockenfutter liegen. Gemeinsam mit Rebecca und Tibor versucht die Tierheim-Angestellte herauszufinden, warum deren Gina immer in die Wohnung pinkelt. „Das ist Protest“, vermutet Nicole. Denn auch Gina hat eine gemeine Vergangenheit. Wer ihre Eltern sind, wissen nur die beiden selbst; mit fünf Wochen wurde die Mischlingshündin ausgesetzt.

Ernste Mienen bei den ZuhörerInnen. Melanie aus Hamm und Kirsten aus Großborstel, die jeden Sonntag mit ihren Welpen losfahren, um „hündische Kommunikation“ zu pflegen, haben schon viele Hundegeschichten gehört. „Wir kennen uns inzwischen ganz gut“, lächeln sie. Ihre Pitbulls sind gleich groß und ähnlich gepflegt, nur daß Hündin Cheyenne ein Straßhalsband trägt, was Rüde Tequilla wirklich nicht stehen würde. Den Weg nach Barsbüttel nehmen die beiden Frauen gern auf sich, „die Hunde brauchen schließlich Kontakt“.

Beim täglichen Gassigehen im Park „spielt ja niemand mit ihnen“, meint auch Kristine aus Altona, seit drei Wochen Besitzerin eines weißen Wollknäuels, das mal ein ungarischer Hirtenhund werden soll. „Die Erwachsenen nehmen die Kleinen ja nicht so ernst.“ Auf dem Rasen hinter Nicoles Haus herrscht entspannte Spielplatzstimmung. Wie Mütter auf den Bänken hinter der Sandkiste sitzen die Erwachsenen da, beobachten versonnen die Welpen.

Hündin Sheila, die mit ihren zwei Jahren schließlich kein Kind mehr ist, distanziert sich gelegentlich von der tobenden Gruppe und hockt sich zu den Menschen. Gespräche kommen auf und versickern wieder. „Nicht zu zweit auf einen, das ist unfair“, mahnt Nicole, als die beiden Pitbulls sich anschicken, mit Hirtenhund-Baby Lucy zu raufen. Gewisse Spielregeln sollte schließlich jeder Welpe einhalten.