Die seltsamen Blüten der Love Parade

Im elften Jahr des Techno-Events entdecken jetzt die Junge Union und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft die Love Parade als Imageaufpepper. Und ein Bildungsurlaubsseminar zum Thema Jugendkultur verspricht „Spaß mit politischem Backround“  ■   Von Barbara Bollwahn de Paez Casanova

Es ist wie ein Virus, der sich unaufhaltsam ausbreitet. Waren es zur ersten Love Parade vor zehn Jahren gerade einmal 150 Hardcore Clubber, die durch die Stadt zogen, springen mittlerweile immer mehr Vereine und Organisationen auf, die mit Techno sowenig zu tun haben wie die Love Parade mit Politik.

Nehmen wir beispielsweise die Junge Union (JU) Berlin. Nachdem die CDU-Jugendorganisation mit dem christlich geprägten Menschenbild die Love Parade die vergangenen zehn Jahre mit politischen Lippenbekenntnissen begleitet hat, wird sie zur diesjährigen 11. Loveparade am 10. Juli mit einem eigenen Wagen dabeisein. Die Organisation, die stets „das Gespräch mit Andersdenkenden“ sucht, will nach Angaben ihrer Pressesprecherin Alexa Reinck zeigen, „daß wir eine junge Partei sind und uns für die Interessen junger Leute einsetzen“.

Während der Veranstalter „planetcom“ derzeit noch darüber brütet, wer von den über 200 Bewerbungen einen Zuschlag bekommt – insgesamt werden etwa 50 Wagen durch die Stadt fahren – bekam die JU bereits Anfang Mai das Okay – sozusagen als Dankeschön für die langjährige Treue des CDU-geführten Senats zu den Ravern. Pressesprecherin Reinck weist diesen Verdacht zurück. „Wir haben uns ganz normal beworben.“

Um nicht in einen anderen Verdacht zu kommen – den der Ausnutzung der Love Parade zur politischen Schaustellung – sucht die JU per bundesweitem Wettbewerb 30 „szenemäßige“ Begleiter für den Wagen. Bisher sind bereits 50 Bewerbungen samt den geforderten Ganzkörperfotos eingegangen. Nur wer den Eindruck vermittelt, „gut abtanzen zu können“, bekommt eine Chance. Gerüchte, wonach selbst Bürgermeister Eberhard Diepgen auf den Wagen aufspringen will, weist CDU-Landesgeschäftsführer Matthias Wambach zurück. Daß jedoch Filmaufnahmen von der Love Parade für CDU-Wahlwerbespots zur Abgeordnetenhauswahl im Oktober verwendet werden, will Wambach nicht ausschließen.

Unverblümt benennt die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) ihre Gründe, dieses Jahr zum ersten Mal bei der Love Parade mitzumischen. „Wir wollen uns den Besuchern auf dem Medien-spektakel als gerade jugendlichen Interessen aufgeschlossene Organisation darstellen“, hofft Landesverbandsleiter Hartmut Friedrich auf ein „Positiv-Image“. Mit einem zwanzig Meter langen Sattelschlepper in Form einer Rakete will die DAG ins Rennen gehen. Über die Kosten schweigt sich Friedrich aus. Nur soviel: „Das ist kein billiger, aber ein vertretbarer Spaß.“ Die zehn, die auf die Rakete dürfen, müssen keine Technofreaks sein. Es ist schlimmer: Sie müssen Gewerkschaftsmitglieder sein. Wer im letzten Vierteljahr am meisten Neuzugänge geworben hat, bekommt den Zuschlag.

Auch die Jungen Liberalen, die zum zweiten Mal dabei sind, hoffen auf einen Imagegewinn. „Das ist eine der größten Möglichkeiten, uns bei gleichaltrigen Jugendlichen zu präsentieren“, sagt der 24jährige Pressesprecher Marco Mendorf. Von den bis auf 100.000 Mark geschätzten Kosten fehlt zwar noch ein Drittel, doch nachdem auf dem Bundesparteitag in Bremen gezielt Sponsoren angesprochen wurden, ist Mendorf zuversichtlich, daß die Liebe nicht am Geld scheitern wird.

Für zwanzig politisch ganz Korrekte, die sich nicht einfach beschallen lassen wollen, gibt es die Love Parade als Bildungsurlaub. Ja, es gibt ein einwöchiges Bildungsurlaubsseminar, das der Verein „Arbeit und Leben Berlin“ anbietet. Wer nicht älter als 26 Jahre ist, bekommt für 200 Mark neben Übernachtung und Halbpension – nur die Anreise ist selbst zu zahlen – ein Rahmenprogramm der besonderen Art geboten. Das unter anderem von der Bundeszentrale für Politische Bildung und dem Deutschen Gewerkschaftsbund geförderte Programm läuft unter dem Motto „Berliner Jugendszene zwischen Beliebigkeit und politischer Positionsbestimmung“. Heiner Wörmann von „Arbeit und Leben Berlin“ bezeichnet dieses Angebot, das es bereits zum wiederholten Mal gibt, als „spezielles Bonbon“. Obwohl es im vergangenen Jahr einen „leichten Einbruch“ gegeben hat, hofft er dieses Jahr auf ein größeres Interesse an einer „kritischen Hinterfragung“ und am „Spaß mit politischem Backround“. Geplant sind u. a. Gespräche mit der Geschäftsführerin des „Tresor“, dem Gründer des Vereins „Eve und Rave“ und mit Vertretern der Polizei über den sicherheitspolitischen Umgang mit Großveranstaltungen. Bisher haben sich fünf Politraver aus dem Kölner Raum angemeldet.

Zum Schluß eine gute Nachricht: Die IG-Metall-Jugend von Berlin, Brandenburg und Sachsen wird sich nicht mit einem eigenen Wagen an der Love Parade beteiligen. Begründung: die „indifferente Haltung“ der Organisatoren zu den Nato-Bomben auf dem Balkan.