piwik no script img

Kein Dauerauftrag in God's own country  ■   Von Andreas Milk

Der Volksmund hat für jede Gelegenheit Erhellendes parat, auch zum Thema Urlaub: „Reisen bildet“, sagt er. Recht hat er. Wäre ich Volksmund, nähme ich eine Ergänzung vor, die da lautete: „... und die Vorbereitung aufs Reisen bildet sogar noch mehr, vorausgesetzt, sie beinhaltet ein Vorstelligwerden bei der heimischen Sparkasse“. Volksmundtechnisch gesehen, ist das zu lang und zu umständlich. Wenn es aber doch stimmt!

Also, es war so: Für einen Flug nach Nordamerika brauchte ich Geld. Genaugenommen, brauchte ich ziemlich viel Geld. Der Herr am Sparkassenschalter indes wußte, daß ich üblicherweise niedrigere Beträge abhebe. Die teilnahmsvolle Frage im Sinne umfassender Kundenbetreuung zu Beginn der Sommersaison 99 mußte daher lauten: „Aaah, Urlaub?“ Und tatsächlich lautete sie auch so. Ich antwortete: „Hm-hm!“ Derlei Eloquenz überbot der Sparkassenmensch zu meiner Überraschung noch: „Wohin geht's?“ – „USA.“ Und da hatte ich den Salat. Denn mit den USA kannte er sich aus, der Mann hinterm Panzerglas. Zugegeben: Bislang hatte ich die Menschen auf der anderen Seite des Atlantischen Ozeans für eine kultivierte Nation gehalten, so kultiviert wenigstens wie der Durchschnitt meiner Nachbarn hier im Haus. Wie dumm ich war! „Wußten Sie, daß Daueraufträge da drüben so gut wie unbekannt sind?“ fragte mein Gegenüber. Kopfschütteln meinerseits. „Ist aber so, die rennen jeden Monat mit einem Scheck zu ihrem Vermieter!“

Tja, was sollte ich dazu sagen kraft meiner bruchstückhaften Amerika-Kenntnisse? Daß „drüben“ eh keiner zur Miete wohnt, weil alle aufgestiegen sind vom Tellerwäscher zum Millionär? Erklären Sie sowas mal einem deutschen Provinzsparkassenangestellten. Der hat da gar keine Antenne für. Der erzählt Ihnen lieber, daß auch Einzugsermächtigungen für Strom und Telefon in „God's own country“ (pffft!!) noch längst nicht zum Standard gehören.

So merket auf: Als Fortschritt gilt dem Sparkassenmann, wenn Geld ohne eigenes Zutun, einfach so, vom Konto verschwindet. Für einen Anlageberater übrigens eine nicht ungefährliche Einstellung (beziehungsweise für seine Kundschaft). Aaaaber keine Bange, der Aufenthalt in den USA biete auch Vorzüge, dozierte mein Gesprächspartner weiter. Einkaufen könne man beinahe überall per Kreditkarte, das sei eine bequeme Sache. Soweit ich ihn verstanden habe, bucht die Kreditkartenfirma erst Wochen nach dem Kauf die Rechnung ohne mein Zutun, einfach so, vom Konto ab, und das kommt immerhin dem heimatlichen Ideal des magischen Geldverschwindenlassens sehr nahe. So habe ich an einem einzigen Vormittag im Geldinstitut meines Vertrauens wohl mehr über die Gepflogenheiten US-amerikanischer Konsumenten gelernt, als ein Urlaub mir je vermitteln könnte. Dies berichtete ich telefonisch einem Freund in den Vereinigten Staaten, der mit einem vulgären Zitat aus dem Schatzkästlein des amerikanischen Volksmundes antwortete. Four letter word. Nun ja! Milde lächelnd und in Kontoauszügen blätternd sann ich nach: Ein Volk, das nicht die Einzugsermächtigung kennt und nicht den Dauerauftrag – was darf man von dem schon erwarten?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen