Im Schulterschluß gegen eine rot-grüne Stadtpolitik

■ SPD-Senator Strieder hat sich mit Erzfeind Jürgen Klemann von der CDU geeinigt. Und damit werden gleich auch schon mal die politischen Karten in der Hauptstadt neu gemischt

Es gab Zeiten, da waren Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) und der grüne Verkehrsexperte Michael Cramer ein Herz und eine Seele. Rot-Grün war damals, vor zweieinhalb Jahren, noch nicht diskreditiert, und Strieders „Masterplan“ für die Berliner Innenstadt schien ein geeignetes Projekt, den Reformwillen beider Parteien unter Beweis zu stellen.

In der Tat lasen sich die Prämissen des Planwerks Innenstadt wie Merksätze aus einem ökologischen Glaubensbekenntnis. Um die weitere Zersiedelung des Berliner Umlands zu verhindern, sollten sich Wohnungsbau und die Ansiedlung von Dienstleistungen wieder auf die Innenstadt konzentrieren. Ein „Rückbau der überdimensionierten Verkehrsschneisen“ sollte der City (Ost) wie der City (West) wieder „urbane Qualitäten“ verleihen, und mit der Orientierung auf Straßenraster und Baufiguren des 19. Jahrhunderts sollte gar die Kompaktheit der europäischen Stadt über die Zeit ihrer Auflösungserscheinungen hinweg gerettet werden. Kein Wunder, daß der Berliner Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU), ein konsequenter Verfechter der autogerechten Politik, schäumte. Klemann wörtlich: „Da ist frontaler Widerstand programmiert.“

Und kein Wunder, daß sich der Grüne Cramer freute. „Städtebauliche Verdichtung“, meinte der überzeugte Fahrradfahrer, „heißt Verkehrsvermeidung.“ Die Realitätstüchtigkeit des Strieder-Plans, mahnte Cramer aber, wird sich daran zeigen, ob es gelingt, „die Straßen zurückzubauen“.

Die Zeiten, in denen Strieder und Cramer ein Herz und eine Seele waren, sind vorbei. Statt seinen Masterplan wie in der Vergangenheit als rot-grünes Projekt für die Zukunft anzupreisen, hat sich der Stadtentwicklungssenator ausgerechnet mit seinem Erzfeind, dem Verkehrssenator, zusammengetan. Seitdem versuchen sich beide nicht mehr in „frontalem Widerstand“, sondern in Erklärungen für diese ungewöhnliche Zusammenarbeit. Strieder etwa meint, das Hauptziel, eine „lebenswerte und urbane Innenstadt zu schaffen“, sei erhalten geblieben. Klemann, betont, dem Plan seien seine „mobilitätsfeindlichen Giftzähne gezogen“ worden. Sind nun also Strieder und Klemann ein Herz und eine Seele?

Wohl kaum. Strieders Masterschwenk ist weniger einer Annäherung an die Verkehrsgläubigkeit seines CDU-Kollegen geschuldet als vielmehr einer deutlichen Absage an Rot-Grün. Nach dem desolaten Zustand der derzeitigen Bundesregierung und der bislang peinlichen Vorstellung des SPD-Spitzenkandidaten Walter Momper sind die Chancen auf eine Ablösung der Großen Koalition in der Hauptstadt am 10. Oktober gen null gesunken. In einer erneuten Auflage der Großen Koalition will Strieder allerdings nicht mit leeren Händen dastehen. Was also liegt für den Senator, der bislang mehr Worte als konkrete Politik gemacht hat, näher, als wenigstens das eine Projekt noch vor dem Ende der Legislaturperiode durchzupeitschen – selbst um den Preis, daß er, wie es aus der Bauverwaltung heißt, in fast jeder Frage „über den Tisch gezogen wurde“.

Zumindest für die Grünen könnte diese eindeutige Absage die Chance bedeuten, wieder über eigene Ziele der Stadtenwicklungspolitik nachzudenken. Ansätze dafür gibt es genug. Anders als der Verkehrspolitiker Cramer hatten viele Abgeordnete ohnehin skeptisch auf Strieders Planwerk reagiert. Nicht nur, weil damit auch zahlreiche innerstädtische Freiflächen zugebaut oder der Städtebau der DDR-Moderne kaschiert werden sollte. Auch die Wachstumseuphorie der Planung schien ihnen angesichts des wachsenden Leerstands in der Haupstadt unrealistisch. Mit der Vorlage des Planwerk-Kompromisses werden, so scheint es, nicht nur die städtebaulichen Karten neu gemischt, sondern auch die politischen. Uwe Rada