Öcalan belastet Griechenland

PKK-Chef räumt vor Gericht Waffenhilfe aus Griechenland ein und bietet der türkischen Regierung an, die PKK-Kämpfer von den Bergen zu holen  ■   Aus Mudanya Jürgen Gottschlich

„Würden Sie hier, vor der gesamten Weltöffentlichkeit, die PKK auffordern, die Waffen niederzulegen?“ Als der Vorsitzende Richter Turgut Okyay, am späten Nachmittag des ersten Verhandlungstages, Abdullah Öcalan diese entscheidende Frage stellt, ist die Spannung im zum Gerichtssaal umgebauten ehemaligen Kino auf der Gefängnisinsel Imrali auf dem Höhepunkt. Wird Öcalan, der sich zuvor bei den Angehörigen der gefallenen Soldaten entschuldigt hatte, seine Kämpfer auf den Bergen tatsächlich zur Kapitulation aufrufen? Wird Apo den letzten Schritt tun, auf den der türkische Staat seit Jahren wartet?

Er tut es nicht, jedenfalls nicht so, wie es das Militär oder die neue Regierung in Ankara sich vielleicht erhofft hatten. Statt dessen hält Apo eine seiner berüchtigten Reden, lang, etwas verworren und mit großer Emphase. Er spricht von der demokratischen Republik Türkei und bescheinigt seinen bisherigen Gegnern, daß es bereits viele Freiheiten im Land gibt.

„Warum soll ich Dinge fordern, die es bereits gibt? Was fehlt, was es nicht gibt, ist die sprachliche und kulturelle Existenz der Kurden.“ Öcalan redet nicht mehr nur mit Richter Okyay, er wendet sich direkt an die politisch Verantwortlichen in Ankara. „Ich schlage eine demokratische Lösung des Problems vor. Öffnet mir einen Kanal, und ich werde die PKK in drei Monaten von den Bergen herunterholen. Ermöglicht die Legalisierung der PKK als politische Partei, und gebt mir Kanäle, sie zu erreichen.“

Öcalan wendet sich anschließend wieder an das Gericht und sagt: „Ich weiß, daß ich nach den türkischen Gesetzen nicht vor der Strafe gerettet werden kann. Aber bedenkt die Folgen, die das für das ganze Land haben wird. Ich will eine Amnestie, ich will noch eine Chance haben. Ich bin persönlich jetzt an einem anderen Punkt als zu Zeiten des Kampfes. Meine Seite wird mich einen Abtrünningen nennen, und die anderen werden sagen, er will nur seine Haut retten. Aber ihr könnt so viel sagen, wie ihr wollt, ich werde mich nicht abhalten lassen, für die demokratische Republik zu arbeiten.“

Am gestrigen zweiten Verhandlungstag wurde Öcalan dann zu einzelnen Details der Anklage befragt. Dabei ging es vor allem um die Unterstützung der PKK durch andere Staaten. Öcalan bestätigte, die PKK habe ihre Waffen hauptsächlich aus Syrien und Iran, aber auch aus Griechenland bekommen. Der PKK-Vertreter in Athen, Fehti Demir, habe in Griechenland auch schwere Waffen wie Raketen beschafft. In Griechenland und im griechischen Teil Zyperns habe es auch Ausbildungslager der PKK gegeben, allerdings wisse er nicht, wie viele und wo. Vor seiner Vertreibung aus Syrien sei er nie in Griechenland gewesen. Griechische Offizielle, darunter Militärs, hätten ihn jedoch in Damaskus besucht.

Es ging auch um den Mord am früheren schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme 1986. Öcalan lehnte dafür jede Verantwortung ab. Es könne allerdings sein, daß eine Dissidentengruppe der PKK, die sich PKK-Veyzin nannte, darin verwickelt war.

Öcalan kam immer wieder auf sein Verhältnis zum türkischen Staat zurück. Es habe mehrfach vertrauliche Botschaften oder Signale gegeben. Anfang der 90er Jahre habe man ihm zu verstehen gegeben, der Staat arbeite an einem Paket für den Südosten, er solle für einen Waffenstillstand sorgen. Im März 1993 verkündete die PKK dann den ersten einseitigen Waffenstillstand. Dieser Versuch einer politischen Lösung scheiterte, als ein PKK-Kommando bei Bingöl 33 unbewaffnete Rekruten erschoß, die auf dem Rückweg aus dem Urlaub waren. Öcalan bestritt, diese Morde angeordnet zu haben. Dies habe sein damaliger Stellvertreter Semdin Sakik getan. Sakik, der vor zwei Wochen zum Tode verurteilt wurde, hat das immer bestritten. Die Klärung dieser Frage ist deshalb so entscheidend, weil gerade dieser Überfall eine politische Lösung aussichtslos gemacht hatte.