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Antikriegspropaganda mit toten Vögeln

Rumänische und bulgarische Medien nutzen jedes Anzeichen von möglichen Umweltschäden durch die Nato-Bombardements gegen Jugoslawien, um gegen den Krieg zu argumentieren  ■   Aus Bukarest Keno Verseck

Tote Vögel fallen vom Himmel, saurer Regen vernichtet die Getreide- und Obsternten, das Gemüse ist mit Dioxin und Schwermetallen belastet, auf der Donau schwimmen Ölteppiche, und der Himmel ist von riesigen schwarzen Wolken bedeckt – fast täglich sieht sich die Öffentlichkeit in Rumänien und Bulgarien beim Fernsehen, Radiohören und Zeitunglesen mit Berichten über immer schlimmere Umweltkatastrophen konfrontiert. Und alle haben eines gemeinsam: Die Autoren der Beiträge gehen davon aus, daß die Umweltschäden durch die Nato-Luftangriffe auf Jugoslawien verursacht worden sind.

Ob die ökologischen Kriegsfolgen in Rumänien und Bulgarien tatsächlich so gravierend sind, ist kaum nachprüfbar. Fest steht allerdings: Seit dem Beginn der Bombardements gegen Jugoslawien sind insgesamt 17 größere, mehrere Quadratkilometer messende Lachen aus Öl und anderen Treibstoffen auf der Donau gesichtet worden. Und Mitte Mai zog eine kilometerlange schwarze Wolke von Jugoslawien aus über Westrumänien nach Bulgarien. Neben solchen sichtbaren Anzeichen haben Luftmessungen in den Grenzregionen der beiden Länder zu Jugoslawien zeitweise erhöhte Werte von chemischen Schadstoffen, darunter Schwefeldioxid, ergeben.

Radioaktiv belastet soll die Gegend aber laut Behördenangaben nicht sein. Ebenfalls unbestätigt sind Berichte, denen zufolge dort saurer Regen fällt. Das gleiche gilt für die mögliche Belastung von Obst und Gemüse aus den Grenzregionen mit Schwermetallen, Dioxinen und Furanen.

Manche Geschichten, die in rumänischen und bulgarischen Medien präsentiert werden, klingen regelrecht grotesk: So schrieb eine Bukarester Tageszeitung kürzlich, daß saurer Regen infolge der Nato-Bomben auf Jugoslawien die Ernte in Südwestrumänien fast vollständig zerstört habe. Auch bulgarische Zeitungen geben der Nato die Schuld an Unwetterschäden auf den Feldern: Weil man seit dem Beginn des Krieges gegen Jugoslawien das Anti-Hagel-Radar- und -Raketensystem nicht mehr einsetzen dürfe, hätten Hagelschauer vielerorts das angebaute Gemüse und Getreide vernichtet.

Tatsächlich dürfte es bei vielen Umweltschäden schwer sein, einen direkten Zusammenhang mit den Nato-Bombardements nachzuweisen. Sowohl Rumänien als auch Bulgarien haben traditionell mit schweren Umweltproblemen zu kämpfen. Trotzdem widmen Medien und Öffentlichkeit der Ökologie normalerweise vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit. Das ist erst während des Krieges im Nachbarland anders geworden und hat damit zu tun, daß sie – anders als ihre Regierungen – weitgehend antiamerikanisch oder proserbisch eingestellt sind.

So dienen die Berichte über Umweltfolgen des Krieges als eines unter vielen Argumenten gegen die Nato-Bombardements und sind dementsprechend meistens in einem düsteren, alarmierenden Stil mit deutlich politischen Untertönen gehalten.

Die Behörden haben die meisten Darstellungen der Medien bisher abgestritten. Beamte des rumänischen Umweltministeriums gehen zwar davon aus, daß der Krieg gegen Jugoslawien langfristig Umweltschäden hinterlassen wird. Es sei jedoch verfrüht, schon jetzt konkrete Aussagen zu treffen. So erklärte Rumäniens Umweltminister Romica Tomescu in der vergangenen Woche, die Schwefeldioxidkonzentration in der Luft der Grenzregion zu Jugoslawien sei seit dem Beginn des Krieges zwar „leicht erhöht“, liege aber nicht über den Grenzwerten für sauren Regen. Auch seine bulgarische Kollegin Ewdokia Manewa sagte, die Messungen ihres Umweltministeriums auf radioaktive, Schwermetall-, Dioxin- und andere Verschmutzungen in der Luft und bei Lebensmitteln hätten keine erhöhten Belastungen ergeben. Und, so fügte sie hinzu, diese Messungen seien auch nicht manipuliert. Der bulgarische Ministerpräsident Iwan Kostow drehte den Spieß sogar um und beschuldigte Anfang letzter Woche die Presse des Landes, mit ihren „grundlosen Berichten“ über Umweltkatastrophen nur der Tourismusindustrie zu schaden. Selbst die arglosesten Reisenden würden abgeschreckt, wenn sie davon ausgehen müßten, daß ihnen mitten im Urlaub tote Vögel in den Schoß fielen.

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