Krieg anderswo
: Krieg und Frieden – eine Bilanz

■ Alle denken an das Kosovo. Unsere Serie erinnert an Konflikte in aller Welt. Letzter Teil

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit endet heute die taz-Serie „Krieg anderswo“. Sie zählt 38 aktuelle Kriege und Konflikte: 21 in Asien, 14 in Afrika, 2 in Lateinamerika und außer Kosovo einen in Europa. Fast zehn Jahre nach Ende des Ost-West-Konflikts ist die Welt nicht friedlicher geworden. Statt zwischen Kommunismus und Kapitalismus und ihren Stellvertretern dominieren heute Kriege, die vordergründig entlang ethnisch-religiöser Linien verlaufen, aber meist soziale und politische Ursachen haben. Oft geht es aber auch einfach um die Macht.

Es gibt nur noch wenige „klassische“ zwischenstaatliche Kriege wie etwa den Grenzkonflikt zwischen Eritrea und Äthiopien oder den zwischen Indien und Pakistan um Kaschmir. Die meisten bewaffneten Konflikte sind heute innerstaatlich. Meist setzen sich unterdrückte ethnisch-religiöse Minderheiten wie die Tamilen in Sri Lanka, die Moros auf den Philippinen, die Kurden im Irak und in der Türkei oder die Christen im Sudan gegen die von der jeweiligen Bevölkerungsmehrheit gestellte Regierung zur Wehr.

Wie im Kosovo eskalieren die Konflikte dann, wenn Teilen der Bevölkerung Rechte vorenthalten werden und friedliche Proteste dagegen wirkungslos bleiben. Radikale Organisationen von Minderheiten gehen oft ihrerseits in den von ihnen kontrollierten Gebieten brutal gegen Angehörige der nationalen Mehrheit vor. Manchmal bekämpfen Rebellen wie die Tamil Tiger in Sri Lanka oder die Hutu-Milizen in Ruanda auch gemäßigte Vertreter der eigenen Ethnie.

Die Serie hat verdeutlicht, daß wenn die Nato im Kosovo militärisch interveniert, sie entsprechend der damit verbundenen Logik eigentlich auch in ähnlich gelagerten Konflikten wie in Kurdistan oder in Sri Lanka hätte eingreifen müssen. Das kann niemand ernsthaft wollen. Denn dafür fehlt nicht nur die völkerrechtliche Grundlage, sondern es würde die Nato auch überfordern. Eine Alternative dazu wäre die UNO, die jedoch durch die Nato-Intervention im Kosovo geschwächt wurde. Dabei ist auch die UNO vielfach mit der Konfliktlösung oder nur der Überwachung bereits geschlossener Vereinbarungen überfordert. In Angola oder Somalia ist sie kläglich gescheitert. In Korea oder Zypern sind UN-Truppen seit Jahren vor Ort, ohne daß eine Lösung der Konflikte absehbar ist. Im Südlibanon, im Kaschmir oder in Tadschikistan sind die UN-Beobachter hilflose Statisten. Auch Konfliktlösungsversuche regionaler Zusammenschlüsse wie die Organisation für Afrikanische Einheit (in Eritrea-Äthiopien und auf den Komoren), die OSZE (in Karabach) oder die GUS (in Abchasien) waren bisher von zweifelhaftem Erfolg. Die große Zahl innerstaatlicher Konflikte wirft auch die Frage nach dem Schutz von Minderheiten durch das Völkerrecht und das UNO-System auf, das auf Nationalstaaten und gegenseitiger Nichteinmischung basiert. Neben dem Sonderfall der 22 Millionen Taiwaner sind ganze Völker wie die Kurden und Tibeter ohne anerkannten eigenen Staat und damit international ohne Sitz und Stimme. Dabei mischen die Nachbarländer oft in innerstaatlichen Konflikten mit. In vielen afrikanischen Kriegen verschwimmt die Trennlinie zwischen innerem und staatlichem Konflikt.

Kommunistische oder linke Guerillabewegungen wie die Maoisten in Nepal, die Zapatisten in Chiapas oder die FARC und das ELN in Kolumbien, die eine Revolution propagieren, sind rar geworden. Das dürfte nicht nur an der gesunkenen Attraktivität marxistischer Ideologie liegen, sondern auch an den geringen Spielräumen, die linke Bewegungen im Zeitalter der Globalisierung haben. Selten geworden sind auch rechte bewaffnete Gruppen wie die Unita in Angola. Und Guerillakriege gibt es selbst in der einstigen Hochburg Lateinamerika nur noch in Kolumbien und Mexiko.

Konflikte wie um Kaschmir, die Westsahara, Ost-Timor oder die Komoren haben ihre Wurzeln in einer mißlungenen Entkolonialisierung. Dagegen sind Umweltkriege wie in Bougainville oder dem Niger-Delta, die von manchen schon als Konflikte der Zukunft befürchtet werden, noch nicht sehr verbreitet.

Morgen startet die taz die Serie „Nebenkriegsschauplätze“ mit abseitigen Berichten zum Kosovo-Krieg aus aller Welt.

Sven Hansen