Sensenmann als Kegelbruder

■ Erfolglosigkeit, die Verbindet: Mit Six Feet Under und Vader proben Death und Black Metal in der Markthalle den Schulterschluß

Das Beste vorweg: Six Feet Under rocken nicht, sie rollen. Über Stock und Stein und viel menschliches Gebein walzt er hinweg, dieser amerikanische Death-Metal-Truck. Tod, Tod und nochmals Tod – bei Six Feet Under ist der Sensenmann wie ein treuer Kegelbruder und das Lebensende aller Unterhaltung Anfang.

Neu ist diese Angelegenheit zwar nicht, aber zumindest kennt diese Brut ihr Metier aus dem Eff-eff: Allen West, ein verschlossener Metal-Zwerg aus Florida und Chefschreiber der einst gefeierten Fäulnis-Formation Obituary, nahm sich vor sechs Jahren neben ein paar Massacre-Mitgliedern vor allem den just gedissten Cannibal-Corpse-Grizzly Chris Barnes zur Brust und forderte vom tief-growlenden Zombie-Crooner, das zu tun, was er am besten kann. Texte in die Welt zu brüllen, die von den Tiefen toter Körper erzählen. Wer es gut mit der Band meint, könnte sagen, dies sei Blut-Prosa im Dienste des Entertainments.

Dank dreier solider Alben werden Six Feet Under als Hüter eines verloren geglaubten Reinheitsgebots im Death Metal gehandelt. Allerdings eine Profession, die ihren Musikern zwar Tonnen Credibility, aber längst keinen Lebensunterhalt mehr sichert. Überhaupt wirkt dieser Konzertabend wie ein raunendes Lamento einer Szene, die seit geraumer Zeit nicht mehr recht in die Pötte kommt.

Die Freizeit-Wikinger von Enslaved, die ebenfalls dabei sind, treten in bewährter Manier die Flucht nach hinten – respektive: früher – an. Vier verkleidete Norweger, die auf isländisch schreien, wie eine bassarme Black-Metal-Band klingen und sich am Standard-Inventar herkömmlicher Skandinavien-Fans – Fjorde, Vergangenheit und Drachenbooote – orientieren. Ganz ähnlich agieren die Underground-Kumpanen von Thyrfing und Nile, nur mit noch mehr Pathos.

Da tut es gut, daß einem mit Vader aus Polen und Cryptopsy zumindest zwei von sechs Bands die Ohren kompromißlos freipusten. Die spielen räudigen Death-Grind, der seine Songs primär um das Prinzip Blastbeat herum aufbaut und entsprechend holzt, holzt, holzt.

Übringens: Früher, also vor drei bis vier Jahren, wären solche Stilmix-Touren seitens der Black-Metal-Fraktion noch unmöglich gewesen. Damals nämlich fanden die schwarzen Metaller alle Death Metaller unglaublich einfältig und trendy, gaben sich einer abgrundtiefen Humorlosigkeit hin und hatten mit diesem Separatismus weltweit Erfolg. Heutzutage, also nach dem Hype, geht es allen Beteiligten wieder um Heavy Metal als Ganzes. Gemeinsamkeit finden und Spaß haben lautet die Devise. Erfolglosigkeit, die verbindet.

Oliver Rohlf

Mi, 9. Juni, 19.30 Uhr, Markthalle