Humanität spielt keine Rolle

Kaifu-Gymnasium prostestiert gegen die Abschiebung einer Mitschülerin  ■ Von Heike Dierbach

Als Muamera im Sommer vergangenen Jahres in die fünfte Klasse am Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer (Kaifu) kam, war sie verschüchtert und sah „richtig unglücklich aus“, berichtet Klassenlehrer Peter Tietjen. Dann aber habe sie Freundinnen gefunden und sei richtig aufgeblüht – bis die Eltern nicht mehr vor ihrer elfjährigen Tochter verbergen konnten, daß sie schon bald alles Vertraute verlassen muß. Morgen läuft die Duldung der bosnischen Familie Sisic ab. Für einen dauernden Aufenthalt besteht nach Auskunft der Ausländerbehörde „überhaupt keine Hoffnung mehr“. Genau die geben aber Muameras MitschülerInnen nicht auf: Die ganze Schule will sich morgen mit einem Ak-tionstag für die Familie einsetzen.

Im Juni 1992 waren die Sisics aus ihrer Heimatstadt Cajnice in Ostbosnien nach Hamburg geflohen. Jetzt leben sie in Eimsbüttel. Hier besuchte Muamera Kindergarten und Grundschule und „bildete ihre kulturelle Identität aus“, argumentiert die Elterninitiative des Kaifu-Gymnasiums in einem Brief an die Innenministerkonferenz. Vater Sakib Sisic, von Beruf Sozialarbeiter, arbeitet seit 1994 für den Arbeiter-Samariter-Bund in der Flüchtlingskinderbetreuung auf den Wohnschiffen in Neumühlen. Seine Frau Ganiba arbeitete seit 1993 in einem Hotel – bis im April ihre Arbeitserlaubnis wegen der drohenden Abschiebung nicht verlängert wurde.

„Weil wir doch immer gearbeitet haben, haben wir gedacht, daß wir bleiben können“, sagt sie. Damit aber „durfte nicht gerechnet werden“, findet Jürgen Klimke, Vorsitzender des Eingabenausschusses der Bürgerschaft, der Anfang April mit den Stimmen der GAL die Petition der Familie ablehnte: Da die Sisics gewußt hätten, „daß ihr Aufenthalt nur von vorübergehender Dauer sein würde“, begründeten die sieben in Hamburg verbrachten Jahre „keinen dringenden humanitären Grund“.

Für Muameras MitschülerInnen ist klar: „Da stimmt etwas mit den Gesetzen nicht.“ Ihr Klassenlehrer Tietje fragt sich, „wieso eigentlich die Sisics gehen sollen und ich mit meiner Familie hier leben darf?“ Weil, so argumentieren Ausländerbehörde und Eingabenausschuß, die Sisics ja in die USA gehen könnten: Die Familie hatte sich erfolgreich um einen Platz im Weiterwanderungsprogramm des Diakonischen Werkes bemüht. „Noch ein Wechsel wäre für das Kind sicherlich katastrophal“, argumentiert der Rechtsanwalt der Sicis', Alexander Munz, „die Familie müßte nochmal von vorne anfangen“. Das, findet der Eingabenausschuß, „liegt in der Natur der Sache“.

Eine letzte Hoffnung sieht Munz in der Tagung der Innenministerkonferenz am 11. Juni. In einem Brief hat er Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) gebeten, für Fälle wie den der Familie Sisic eine Regelung zu finden, „die sich deutlich von denen unter Kohl/Kanther unterscheidet“.