Apo philosophiert vor Gericht

PKK-Chef Öcalan bietet sich dem türkischen Staat als Verhandlungspartner im Kurdenkonflikt an. Auch PKK-Führung will Krieg beenden  ■   Von Jürgen Gottschlich

Istanbul (taz) – „Im Laufe jedes Aufstands gibt es Brutalitäten. Es gibt sie auch bei seiner Unterdrückung. Meinen eigenen Prozeß zur Grundlage eines würdigen Friedens zu machen, ist mein höchstes demokratisches Ideal.“ Diese Zitate stammen aus der gut 80seitigen Verteidigungsschrift Abdullah Öcalans, die er im Gefängnis formuliert hat. Darin erklärt Öcalan den bisherigen Kampf der PKK für nicht mehr zeitgemäß und plädiert vehement für eine demokratische, politische Lösung der kurdischen Frage. Wie sich bereits zu Prozeßbeginn andeutete, versucht Öcalan den Gerichtssaal als Forum zu nutzen, um sich dem türkischen Staat als Verhandlungspartner anzubieten. Sowohl türkische Militärs und Politiker als auch seine eigenen Leute forderte er auf, aufeinander zu zugehen. In leuchtenden Farben malt Öcalan seinen bisherigen Gegnern die Möglichkeiten der Türkei aus, wenn der kurdische Konflikt befriedet ist. Die Türkei, so Öcalan, hätte dann die Chance „zur Vormacht in ihrer Region zu werden“. Öcalan geht in seiner Verteidigungsschrift, die er in den kommenden Tagen vortragen wird, nur indirekt auf sein persönliches Schicksal ein und vermeidet auch konkrete Vorschläge. Statt dessen betont er, „ich spreche nicht nur in meinem Namen, sondern auch im Namen der PKK und im Namen des aufständischen Volkes“.

Ebenfalls schriftlich hat sich die provisorische Führung der PKK gestern erstmals zu Öcalans Aussagen geäußert. Darin unterstützt der Führungsrat der PKK, zu dem unter anderen Osman Öcalan, der Bruder Abdullahs gehört, die Friedensappelle Apos: „15 Jahre Krieg sind mehr als genug. Wir glauben, es wird niemandem nutzen, wenn er fortgsetzt wird (...) Auf dieser Grundlage rufen wir unsere Partei, Volk und Freunde auf, (...) alles Notwendige zu tun, damit der Kampf des Vorsitzenden Apo für eine demokratische Lösung Früchte trägt.“

Dokumentation der Verteidigungsschrift Seite 12