Eltern fürchten um Kitas

■ 500 bis 600 Kinder und Eltern demonstrierten gestern gegen Kürzungen von 2,8 Millionen Mark bei Kitas

Jana-Christina kann schon Pfeiffen. Hör mal: Fhüüüühhhh. Sara auch. Fhühhh. Fhühh. Die beiden fünfjährigen hatten gestern auf dem Marktplatz Gelegenheit zum üben. Als es richtig laut werden sollte, nahmen sie aber lieber ihre Trillerpfeifen. Warum sie hier sind? „Weil wir Krach machen“, sagt Lisa, auch fünf. Und: „Weil die uns das Geld wegnehmen wollen. Dann gibsss kein Mittagessen mehr“.

Aus Sicht der Sozialbehörde gingen sie gestern ohne Grund auf die Straße: 500 bis 600 Kinder und Eltern demonstrierten auf dem Marktplatz gegen gefürchtete Ein-sparungen im Kindergartenbereich. Grund der Sorge: 2,8 Millionen Mark im Jahr sollen in dem Bereich eingespart werden. Laut Behörde werden in Bremen pro Jahr 120 Millionen Mark für Kindergärten ausgegeben. Die Eltern forderten die Herausgabe des letzten Dezember von der Sozialbehörde sowie der Finanzbehörde in Auftrag gegebenen WIBERA-Gutachtens, in dem Einsparpotentiale klar benannt werden sollen.

„Die Eltern von Kindern zwischen drei und sechs Jahren sitzen auf einem Pulverfass mit Namen WIBERA“, rief Torsten Kröger den Eltern zu. Der Vorstandssprecher des Gesamtelternbeirates der bremischen evangelischen Kindertageseinrichtungen forderte die „sofortige Offenlegung des vorhandenen Gutachtens“ noch vor der Wahl am Sonntag. Aus wahltaktischen Gründen werde das Gutachten zurückgehalten, lautet der Vorwurf der Eltern.

Der Sprecher von Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD), Holger Bruns, bestreitet vehement, daß das Gutachten einfach nicht veröffentlicht wird. Bekannt wären derzeit lediglich Informationen aus einer eingesetzten Arbeitsgruppe, an der auch die freien Träger der Kitas beteiligt sind. Die Gruppe reiche ihre Ergebnisse an die WIBERA weiter. Die freien Träger, die jetzt zur Demonstration aufriefen, „sollten deshalb am besten wissen, daß das Gutachten meinem Hause noch nicht vorliegt“, läßt Senatorin Wischer erklären. Einen Tag nach der Wahl, will sich die Arbeitsgruppe das nächste Mal treffen.

Für Maria Spieker, jugendpolitische Sprecherin der Grünen, ist die Gefahr der Einsparungen längst noch nicht gebannt. Nach ihren Informationen sollte das Gutachten behördenintern bereits am 31. Mai vorliegen – damit es als Arbeitsgrundlage für mögliche Koalitionsverhandlungen nach der Wahl benutzt werden kann. Doch die Behörde muß immer wieder Informationen an die Gutachter nachreichen. Derzeit jüngstes Problem: Vergleichende Erhebung von Zahlen für Bremen und andere Kommunen.

Dennoch sind erste Vorstellungen davon nach außen gesickert, was in dem Gutachten stehen könnte (siehe taz vom 22.5). Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz soll auf vier Stunden beschränkt werden; Mittagessen und Reinigung sollen an Private vergeben werden; Vorbereitungszeit der Erzieherinnen soll ebenso gekürzt werden wie die Integrationsarbeit mit auffälligen Kindern. „Es geht nicht einfach um eine Umorganisation“, sagt Spieker, „sondern um Einsparungen von Millionen.“

Die Sozialsenatorin widerspricht: Sie habe die vom Finanzsenator 1997 geforderten Einsparungen bislang nicht auf die Kindergärten umgelegt, sondern mit Mitteln aus anderen Töpfen finanziert. „Richtig ist also, daß ich den Bereich der Kindertagesstätten vor Sparbegehrlichkeiten geschützt habe“. Die Elternvertreter bleiben mißtrauisch. Sprecher Kröger warnte gestern abschließend: „Kitas dürfen keine Wirtschaftsunternehmen werden“.

Christoph Dowe