Das Problem ist der Nachwuchs

Nach dem Verpassen des EM-Viertelfinales sind im deutschen Frauen-Basketball Strukuränderungen nötig, doch es fehlen die Alternativen    ■ Aus Pruszkow Ute Berndt

„Wenn wir mit einem 16-Punkte-Sieg weiterkommen, sind wir wirklich die Meister des Minimalismus“, hatte Roland Geggus vor dem Spiel gegen Lettland geunkt. Doch die deutschen Basketballerinnen gewannen ihr bislang einziges Spiel bei der Europameisterschaft in Polen nur mit zehn Punkten, und die Rechnung des DBB-Präsidenten wäre im nachhinein ohnehin nicht aufgegangen. Das Motto für den deutschen Frauen-Basketball hatte Geggus aber genannt. Beim Versuch, in der immer breiter werdenden europäischen Spitze erneut mit geringen Mitteln das Optimale herauszuholen, sind die Korbjägerinnen um Bundestrainer BerndMotte diesmal allerdings frühzeitig gescheitert.

Am Geld liegt es nicht, eher an der mangelnden Menge an Talent. Zwei bis drei Millionen Mark jährlich steckte der Verband zuletzt in die Förderung des weiblichen Bereichs, rechnete der DBB-Chef vor, der sich wegen seiner Unterstützung für die Frauen schon viel interne Kritik gefallen lassen mußte. So genugtuend da der überraschende Bronzemedaillengewinn von 1997 in Ungarn war, so enttäuscht ließ ihn die Mannschaft nach dem Verpassen des Viertelfinales diesmal in Pruszkow zurück.

Der geplatzte große Traum Olympia in Sydney, für dessen Verwirklichung der Halbfinaleinzug nötig gewesen wäre, war das eine. Doch Geggus ärgerte sich vor allem, weil die Spielerinnen trotz der ausgiebigen Vorbereitung mit einer zweiwöchigen USA- und Kanadatour nicht ein einziges Mal an ihrer oberen Leistungsgrenze gespielt hatten. Mit Ausnahme ihres Aushängeschildes Marlies Askamp zeigten die Spielerinnen viel zu schwankende Leistungen. „Wir haben kein einziges richtig gutes Spiel geboten und hatten niemanden, auf den man sich konstant verlassen konnte“, übte die Teamkapitänin Kritik. Kreativität und Paßqualität auf den Außenpositionen lassen bei den Deutschen zu wünschen übrig, und somit können sie ihre Stärken unter dem Korb nicht richtig ausspielen.

„Der Stachel sitzt aber vor allem deswegen so tief“, klagt Motte, „weil wir kollektiv nicht unsere Defensiverwartungen erfüllt haben.“ Statt zur großen Stärke des eigenen Spiels zu werden, lädt die Verteidigung mit phasenweisen Aussetzern die Gegnerinnen zu einfachen Punkten ein. „Daß die Konkurrenz spielerisch und technisch besser ist, haben wir gewußt“, sagte der Bundestrainer. „Aber ich hatte erwartet, daß wir das mit unseren Tugenden besser ausgleichen können.“

Trotz allem wäre mehr zu erreichen gewesen als die heute beginnenden Spiele um die Plätze 9 bis 12. Während die DBB-Auswahl gegen Vizeweltmeister Rußland (48:65) und Vizeeuropameister Slowakei (61:75) chancenlos war, hatte sie gegen Kroatien (63:73) und Frankreich (60:68) Siegmöglichkeiten. „ Es war schon bitter, daß wir die beide vergeben haben“, bedauert Askamp. „Aber auf diesem hohen Niveau entscheiden eben Kleinigkeiten, und die machen den Unterschied zwischen Platz 3 und 5 in der Gruppe aus.“

Während in anderen Nationen bei einem Ausfall von Leistungsträgerinnen sofort junge Talente Ansprüche anmelden, rückt in Deutschland kaum jemand nach. Mit Ausnahme der 19jährigen Linda Fröhlich, die in Polen schon dabei war, und zweier weiterer Namen fällt Motte keine Kandidatin ein, die in absehbarer Zeit A-Kader-Perspektive hätte. „Da gibt's nicht mal 'ne Handvoll.“ Nur bei seinem Verein DJK Aschaffenburg sowie beim deutschen Meister BTV Wuppertal wird professionell gearbeitet. „Mehr Spielerinnen gibt es auch nicht, die das wollen, sonst hätten wir die schon geholt“, sagt Motte. Seine europäischen Kollegen können da aus einem ganz anderen Fundus schöpfen. Fünf, sechs Klubs in den nationalen Ligen trainieren acht-bis zehnmal wöchentlich, und die Verbände bilden ihren Nachwuchs in Basketball-Internaten heran.

„Wir müssen unseren Bundesliga-Betrieb und unsere Nachwuchsförderung dringend überdenken“, hat Roland Geggus das Problem erkannt. „Andere Nationen bringen viel schneller Spielerinnen in die europäische Spitze.“ Der Bundestrainer muß sich jedoch vorerst mit dem Vorhandenen begnügen und hoffen, daß die Spielerinnen trotz des Frustes von Polen zur Stange halten. Bereits im Herbst stehen die ersten Qualifikationsspiele für die EM 2001 an. „Wir müssen was verändern“, weiß Motte. „Aber Radikalschnitte können wir uns nicht erlauben, weil Alternativen fehlen.“ So werden die „Minimalistinnen“ wohl auch den nächsten Anlauf nehmen und hoffen, daß dieser meisterlicher gelingt.