„Bonbon“-Abtreibung verhindert

Hersteller will für schonende Ergänzung zur Abtreibungspille RU 486 keine Zulassung beantragen. Abtreibung per Pille wird nun wesentlich schmerzhafter    ■ Von Heide Oestreich

Berlin (taz) – Das Drama um die Abtreibungspille RU 486 droht auch nach ihrer Zulassung in Deutschland weiterzugehen. Dann allerdings weniger in der Öffentlichkeit als in den Behandlungszimmern der Tageskliniken. Der Vertreiber des Medikaments Cytotec, das zusammen mit RU 486 den Abort bewirkt, will die Pille nicht für die Abtreibung zulassen. Andere Medikamente als Cytotec aber bewirken starke Krämpfe und bergen das Risiko von Komplikationen. Eine längere, schmerzhaftere und kompliziertere Prozedur ist die Folge.

Der Abbruch mit Hilfe von RU 486 erfolgt in zwei Schritten. Im ersten Schritt nimmt man das Antiprogesteron RU 486 ein. Es führt zum Absterben des Fötus. Nach 48 Stunden wird mit Hilfe eines zweiten Wirkstoffes, eines Prostaglandins, der Fötus ausgetrieben. Wie schmerzhaft und riskant diese Art Fehlgeburt ist, hängt von der Art des Prostaglandins ab, das die Ärzte anwenden. Bei dem in Frankreich verwendeten Cytotec ähneln die Schmerzen Menstruationsbeschwerden, 20 Prozent der Anwenderinnen nehmen ein Schmerzmittel ein. Nach längstens drei Stunden ist die Prozedur überstanden. „Es ist die Abtreibung mit einem Bonbon“, wirbt die Leiterin eines französischen Behandlungszentrums, Elisabeth Aubény, bei einer Informationsveranstaltung in Berlin.

Als Alternative wird am häufigsten das Präparat Cergem eingesetzt. Frauenärzte in England wenden es an, weil es eine spätere Abtreibung ermöglicht als Cytotec. Aber: „Es ist heftig!“ sagt der Gynäkologe Friedrich Stapf. „Die Krämpfe sind ungleich stärker, die Frauen quälen sich die ganze Nacht.“ Die Engländerinnen müssen deshalb mindestens sechs Stunden lang unter ärztlicher Aufsuch das Bett hüten. Weitere Nachteile: Die Zäpfchen müssen bei minus 10 Grad gekühlt werden, und sie kosten etwa 130 Mark pro Stück. Eine Dosis Cytotec kostet ungefähr 2 Mark.

Trotzdem will die deutsche Vertriebsfirma Heumann Pharma das harmlosere Medikament nicht zur Abtreibung freigeben. „Wir werden die Verantwortung für diese Abtreibungen nicht übernehmen“, sagte Geschäftsführer Wolfgang Niedermaier von der Firma Heumann Pharma zur taz. Die Heumann GmbH ist eine Tochter des amerikanischen Pharmaunternehmens Searle. In den USA lassen die Firmen lieber die Finger von den Abtreibungspillen – militante „Lebensschützer“ verüben Bombenanschläge auf Behandlungszentren. Der Mutterkonzern habe „nicht das geringste Interesse an einer Zulassung von Cytotec als Mittel für den Schwangerschaftsabbruch“ sagte Niedermaier.

Die Anwendung von Cytotec verhindern kann die Firma allerdings kaum: Die ärztliche Therapiefreiheit erlaubt, daß ein Gynäkologe das Medikament trotz fehlender Zulassung für diesen Bereich verordnen kann. In Deutschland ist es als Magenmittel verfügbar. Aber auf dem Beipackzettel steht eine konkrete Warnung vor der Anwendung bei Schwangerschaft. Wenn Ärzte das Medikament nun anwenden, tun sie es auf eigene Verantwortung.

„Den Ärzten wird damit angst gemacht“, sagt die Gynäkologin Gabriele Halder, Vorsitzende des Berliner Familienplanungszentrums Balance. „Die Ärzte, die Abtreibungen vornehmen, werden mit Akribie beobachtet, wenn sie nicht indizierte Medikamente anwenden, könnten sie schnell in Verruf geraten.“ Die Gynäkologin fürchtet, daß viele Ärzte dann bei der Abtreibung auf das zugelassene Medikament Cergem zurückgreifen. „Das ist das weniger gute Medikament“, sagt Halder, „ich fürchte, das bringt die ganze Methode ins Wanken.“ In Frankreich ist das Medikament Cytotec als Abtreibungsmittel übrigens zugelassen. Auf dem Beipackzettel steht reichlich verklausuliert: Nicht anzuwenden bei Schwangerschaft, außer in Behandlungszentren nach Artikel 162,2 und 176 des Gesundheitsgesetzes – das ist das Abtreibungsgesetz.