■ Der Euro im Tal – zu Recht?

Berlin (taz) – Der Euro fällt von einem historischen Tief zum nächsten. Das ist einerseits nicht so schwierig, schließlich ist die gemeinsame Währung der 11 EU-Länder erst am 1. Januar dieses Jahres gestartet. Andererseits ist er wirklich schwach: Am Donnerstag vormittag sank der Eurokurs bis auf 1,0305 Dollar. Gemessen am Verhältnis Dollar/Mark (das wäre dann fast 1,90) ist das der tiefste Stand seit etwa zehn Jahren.

Nun ist das Klagen groß: Die FDP fordert die Bundesregierung auf, endlich etwas für den Euro zu unternehmen. Der notorische Euro-Kritiker und Wirtschaftsprofessor Wilhelm Hankel forderte gar, den weiteren Zeitplan für die Währungsunion zu verschieben. Nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums von gestern ist nicht der Euro schwach, sondern der Dollar stark. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit: Auch zum Pfund und zum Yen verliert der Euro an Wert, wenn auch weniger als zur US-Währung.

Damit künftig nicht wie bisher jeder Politiker etwas anderes zur Währungspolitik sagt, wird auf dem EU-Gipfel nun ein neuer Vorschlag diskutiert: Künftig dürften demnach nur noch Wim Duisenberg, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), und sein Stellvertreter offizielle Kommentare zum Euro abgeben.

Doch auch davon wird der Euro nicht plötzlich stark – schließlich macht die US-Wirtschaft derzeit ein Wirtschaftswunder durch fast wie Deutschland in den 50ern. Und die EZB verkündet ständig, so zuletzt am Mittwoch, daß sie den Euro nicht stützen wird – eine Einladung für Währungshändler, sich aus dem Euro zurückzuziehen.

Die Zinsen im Euroland stehen ebenfalls tiefer als in den USA. Wenn dann auch der Krieg im Kosovo samt seinen Auswirkungen auf Resteuropa berücksichtigt wird, ist die Schwäche des Euro verständlich.

Der Kosovo-Krieg brachte gestern aber auch eine kleine Entlastung für die Elfer-Währung. Angesichts erster Aussichten auf ein Ende des Luftkrieges stieg der Kurs zum Dollar gestern um fast zwei Pfennige auf 1,0402. Damit lag er über dem Kurs vom Vortag.

Bei all der Aufregung bleibt die Frage: Wen trifft die Euroschwäche? Ungünstig ist der Währungstiefstand hauptsächlich für Leute, die Euro auf dem Bankkonto haben und derzeit in Dollarländer umziehen wollen. Für Arbeitsplätze und Industrie ist der niedrige Euro wie ein Konjunkturprogramm. Schließlich sinken dadurch unterm Strich die Produktionskosten in der Euro-Zone im Vergleich zur Dollar-Welt drastisch. Zum Vergleich: Als die Mark 1995 zwischenzeitlich so stark war, daß sie bei 1,50 Dollar und darunter lag, legte die Daimler-Luftfahrttochter Dasa das „Dollar low rescue“-Programm „Dolores“ auf. Hunderte wurden entlassen, weil die in D-Mark abgerechneten Flugzeugteile zu teuer für den Weltmarkt geworden waren. Davon ist heute nicht mehr die Rede.

Reiner Metzger