Das Jawort zum Frieden kam bei Luftalarm

Durchbruch im Kosovo-Krieg: Nach den Gesprächen von Tschernomyrdin und Athisaari in Belgrad stimmten das Parlament und Milosevic dem internationalen Friedensplan zu. Die serbischen Nationalisten empfinden die Zustimmung als Kapitulation. Sie wollen aus der Regierung aussteigen. In der Bevölkerung macht sich Hoffnung breit  ■ Aus Belgrad Andrej Ivanji

Der jugoslawische Präsident Slobodan Miloevic hat den Friedensplan angenommen. Nach 70 Tagen Krieg ist es am Donnerstag zum politischen Durchbruch in der Jugoslawienkrise gekommen. Während der Fliegeralarm in Belgrad in Kraft war und das Dröhnen der Nato-Flugzeuge zu hören war, stimmte das serbische Parlament überraschend schnell mit einer deutlichen Mehrheit für den Friedensplan, den der EU-Beauftragte Martti Ahtisaari und der russische Jugoslawienbeauftragte Wiktor Tschernomyrdin am Abend davor Miloevic vorgelegt hatten. Gegen den Friedensplan stimmten nur die Abgeordneten der ultranantionalistischen „Serbischen Radikalen Partei“ (SRS) und kündigten einen Rücktritt aus der serbischen Regierung an.

Kurz nachdem der Belgrader Fernsehsender „Studio B“ den positiven Ausgang der serbischen Parlamentssitzung gemeldet hatte, durchbrach ein Nato-Kampfjet über der jugoslawischen Hauptstadt mehrmals die Schallmauer: die Erde bebte, Autoalarmsysteme heulten im Stadtzentrumauf, Fensterscheiben klirrten. Die Menschen wurden grob daran erinnert, daß trotz allem der Krieg noch nicht vorbei ist.

Der Friedensplan sieht in zehn Punkten einen „schnellen“ und „nachweisbaren“ Rückzug „aller“ jugoslawischen Streitkräfte aus dem Kosovo, also der Armee, der Polizei und der paramilitärischen Einheiten vor. Im Kosovo sollen effektive internationale „zivile und Sicherheitskräfte“ die Rückkehr aller Flüchtlinge ermöglichen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen soll vorübergehende Behörden für das Kosovo, als Teil der „internationalen zivilen Präsenz“, bestimmen, die der umkämpften Provinz eine Autonomie „im Rahmen der Bundesrepublik Jugoslawien“, und nicht Serbiens, garantieren soll.

Die Veränderung des Status des Kosovo von einer autonomen Provinz in eine neben Serbien und Montenegro gleichberechtigte dritte Republik der jugoslawischen Föderation ist also nicht mehr auszuschließen. Der Plan sieht auch eine Demilitarisierung der „Kosovo-Befreiungsarmee“ (UÇK) vor.

Der Anführer der Radikalen, Vojislav eelj, beschuldigte Miloevic, die „Besetzung“ des Kosovo, den Verlust der Souveränität und der territorialen Integrität Serbiens unterzeichnet zu haben. Dieser Friedensplan sei bedeutend ungünstiger für Serbien als das Abkommen von Rambouillet, das Präsident Miloevic abgelehnt hatte. eelj bezeichnete den zwischen Amerika, Europa und Rußland eingefädelten Friedensplan als die „Einführung für weitere territoriale Verluste Serbiens“. Seine Abgeordneten verließen demonstrativ das Parlament.

Der Friedensplan sieht allerdings eine Demokratisierung Serbiens nicht vor, erwähnt mit keinem Wort die repressiven serbischen Mediengesetze, die kritische Situation in Montenegro, oder die Kriegsverbrecherliste, die das Haager Tribunal zusammengestellt hat und auf der sich Präsident Miloevic selbst befindet. Es ist wohl das einzige Entgegenkommen Amerikas und der EU gegenüber Miloevic.

„Wir haben uns noch vor dem Ausbruch des Krieges für einen Kompromiß mit der internationalen Gemeinschaft eingesetzt. Und jetzt hat Miloevic nach all den menschlichen Opfern und Zerstörungen einen Friedensplan mit viel schlechteren Bedingungen für Serbien unterschrieben“, sagte zur Dr. Milena Andric, die Abgeordnete der oppositionellen „Demokratischen Alternative“ (DA) zur taz. Selbstverständlich sei jeder vernünftige Mensch für eine Einstellung des Krieges, doch den Frieden könne langfristig nur eine Demokratisierung garantieren.

Gegenüber dem Volk sei ein schreckliches Verbrechen begangen worden. „Wer für den Krieg verantwortlich ist, ist eine Frage, die mit dem ersten Tag des Friedens beantwortet werden muß. Das hier ist eine Kapitulation, zu der wir gezwungen wurden, um das Volk und das Land zu bewahren, nach einem Krieg, den wir hätten vermeiden können.“

Die Hoffnung der kriegsmüden Menschen in Belgrad auf einen raschen Ausbruch des Friedens ist auf Schritt und Tritt zu spüren. Das weiß Miloevic, deshalb hat er auch den aus serbischer Sicht bisher ungünstigsten Friedensplan angenommen. Es ist zu erwarten, daß das Regime die Einstellung der Luftangriffe auf Jugoslawien als den eigenen gewaltigen Sieg präsentiert. Solange die Kriegsgesetze in Kraft, die Medien gleichgeschaltet bleiben, kritische Stimmen totgeschwiegen werden, wird nichts dem Regime Kopfzerbrechen bereiten. Doch mit den ersten Tagen des Friedens wird die gewaltige soziale Not das zerstörten Landes offenbar werden. Auch die Opposition kündigt eine „Abrechnung“ mit dem Regime an, will Miloevic für alles Leid zur Verantwortung ziehen.

Die Serbisch-Radikale Partei sieht in der Akzeptanz des internationalen Friedensplan eine Kapitulation Jugoslawiens