„Nur ein Musical wäre nicht besser als zwei“

■ Hemjö Klein ist seit drei Monaten Chef des Unterhaltungsunternehmens Stella AG. Der neue Mann soll den angeschlagenen Konzern retten und muß deshalb den 45-Millionen-„Glöckner“ schönreden

taz: Herr Klein, neue Musicals haben sich in den vergangenen Jahren in anderen Städten besser durchgesetzt als in Berlin. Warum startet die Stella AG trotzdem mit dem „Glöckner von Notre Dame“ auf dem hiesigen unsicheren Terrain?

Hemjö Klein: Es gibt keinen vergleichbaren Standort, der mehr Anziehungskraft hätte als die neue Hauptstadt. Das Stück selbst handelt von Freiheit, und kein Ort in der Welt repräsentiert symbolhafter den Begriff Freiheit als Berlin. Zudem war das Berliner Publikum schon immer Trendsetter und wird das Einzigartige des Stücks zu schätzen wissen.

Das Publikum hier hat aber in der Vergangenheit gerade neue Musicals durchfallen lassen. Woher nehmen Sie Ihre Euphorie?

Dieses Phänomen ist nicht berlinspezifisch, sondern gibt es in der ganzen Republik. Wir machen nicht das Publikum für das Scheitern von Produktionen verantwortlich, sondern fragen, was wurde falsch gemacht. Die Stella AG ist Marktführer, und wir müssen das Beste aufbieten, was die Welt an Musicals zu bieten hat. Und da ist uns konsequenterweise nichts lieber als dieses schwierigeTerrain.

Worin besteht das Neue des Musicals am Potsdamer Platz?

Spektakulär ist, daß es eine neue Generation von Musicals repräsentiert. Es hat eine Dreidimensionalität der Bühne, die es nicht einmal am Broadway gibt. Zudem verzichten wir auf traditionelle Kulissen, ersetzen diese durch hochtechnologische und fotographische Lichteffekte. Schließlich ist das Stück mit exzellenten Künstlern besetzt.

„Der Glöckner von Notre Dame“ ist eine mehr als 45 Millionen Mark teure Produktion, großteils über Kredite finanziert. Außerdem sind knapp 1.800 Plätze mit Zuschauern zu besetzen, damit es sich rechnet. Warum gehen Sie so hoch ins Risiko?

Wir machen ja keinen Laden auf, wie es ihn an jeder Ecke gibt, sondern präsentieren etwas Neues. Und dies hat uns das Publikum immer bestätigt. Nicht die Höhe der Investition war für den Erfolg entscheidend, sondern die Richtigkeit der Investition. Und diese Investition ist bestens angelegtes Geld. Das macht mich optimistisch.

Im „Spiegel“ werden Sie aber weniger optimistisch zititert. Dort sagen Sie nach Ihrem Start bei der Stella AG, angesichts der prekären finanziellen Lage hätte man das Projekt „Glöckner von Notre Dame“ besser stoppen sollen.

Das habe ich nie gesagt, das Zitat ist falsch. Ich war mir von Anfang an klar, daß Berlin der richtige Ort ist und bin mir auch der Risiken für das Unternehmen bewußt. Aber die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und die gewollte neue Dimension von Musicals ist ohne Berlin nicht zu machen. Deshalb gehen wir auch davon aus, daß wir hier bis mindestens Mitte 2004 spielen.

Ist die Form der Zusammenarbeit bei diesem Musical mit Disney ein Sonderweg? Kooperation statt Eigenproduktion?

Es ist der Glaube von Disney in die Leistungskraft von Stella. Zum ersten Mal bringen sie eine Weltpremiere nicht in Amerika auf die Bühne, sondern in Berlin.

Neben Stella drängen wieder andere Theater auf den Markt, etwa Produktionen des Friedrichstadtpalastes und auch das Metropoltheater, bei dem der schon einmal gescheiterte Friedrich Kurz mit einsteigen soll. Wen machen die Konkurrenzen kaputt?

Wir sind keine Aktionisten, wir investieren in eine lange Partnerschaft mit der Stadt zur Erhöhung der Attraktivität. Nichts ist gegen den Wettbewerb einzuwenden, denn der ist entscheidend für den Erfolg. Wer glaubt, nur ein Musicaltheater wäre besser als zwei, liegt falsch. Hätten wir heute fünf Musicals in Berlin, stünden wir besser da und könnten mit London oder New York konkurrieren. Interview: Rolf Lautenschläger